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Corona-Ganzjahresausgleich

Krankenhäuser im Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) und der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) erhalten mit § 21 Abs. 10 und 11 KHG die Möglichkeit, Erlösrückgänge im Jahr 2020 gegenüber dem Jahr 2019, die aufgrund des Coronavirus entstanden sind, im Rahmen von krankenhausindividuellen Verhandlungen der Vertragsparteien vor Ort anteilig auszugleichen.

Für das Jahr 2021 und 2022 wurden die coronabedingten Erlösausgleiche auf Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung durch § 23 Abs. 2 Nr. 4 KHG in § 5 und § 5a der Verordnung zur Regelung weiterer Maßnahmen zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser vom 07. April 2021 (KHWiSichV) geregelt.

Anders als § 21 Abs. 10 und 11 KHG für das Jahr 2020 umfasst § 5 KHWiSichV für das Jahr 2021 nicht nur den Ausgleich von Erlösrückgängen, sondern auch von Erlösanstiegen, die auf Ausgleichszahlungen nach § 21 Abs. 1a KHG oder Versorgungsaufschläge nach § 21a KHG zurückzuführen sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 8 Nr. 3 KHWiSichV).

Leistungsstrukturveränderungen im Rahmen des Corona-Ganzjahresausgleichs

In Umsetzung der Vorgaben des § 5 und § 5a KHWiSichV haben die Vertragsparteien auf Bundesebene die Corona-Ausgleichsvereinbarungen 2021 und 2022 geschlossen.
Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, wie mit Leistungsstrukturveränderungen im Rahmen des Corona - Ganzjahresausgleichs umzugehen ist, ist die Corona-Ausgleichsvereinbarung (2021 und 2022). Die Vereinbarung regelt in § 8 unter anderem Kriterien zur Feststellung von Erlösveränderungen.

Anwendungsbereich und Auslegung der Tatbestände des § 8 der Corona-Ausgleichsvereinbarung

Aus den bisher von uns betreuten und uns bekannten Schiedsstellenverfahren in Rheinland-Pfalz und Hessen konnten wir folgende wichtige Erkenntnisse im Umgang mit § 8 (Kriterien zur Feststellung von Erlösveränderungen) ziehen:

Anwendungsbereich

Die Ausnahmetatbestände in § 8 Abs. 1 der Corona-Ausgleichsvereinbarung gelten sowohl für Minder- als auch Mehrerlöse („Erlösveränderungen"). § 8 Abs. 1 Satz 1 der Vereinbarung spricht vorliegend von Erlösveränderungen. Mit dieser (bewusst offen gehaltenen) Formulierung sind sowohl Erlösrückgänge als auch Erlösanstiege umfasst.

Es kann hier keineswegs von einem redaktionellen Versehen ausgegangen werden, und der Wortlaut der Vorschrift ist somit auch nicht teleologisch zu reduzieren. Der Anwendungsbereich ist demnach sowohl für Erlösrückgänge wie auch Erlösanstiege eröffnet. Dennoch sind – nach Auffassung der Schiedsstelle in Rheinland-Pfalz - die Ausnahmetatbestände an sich eng auszulegen.

§ 8 Abs. 1 Nr. 1 der Vereinbarung

So hat die Schiedsstelle in Rheinland-Pfalz hierzu ebenfalls entschieden, dass der Ausnahmetatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 1 nicht für indirekte (mittelbare) Auswirkungen der Krankenhausplanung (z.B. wie bei der Schließung einer Abteilung eines benachbarten Krankenhauses) gelten solle. Auch wenn es durch die Schließung einer Abteilung in einem benachbarten Krankenhaus zu einer Leistungsverlagerung hin zum dann antragstellenden Krankenhaus kommt, ist § 8 Abs 1 Nr. der Vereinbarung nach Auffassung der Schiedsstelle in Rheinland-Pfalz hierfür nicht anwendbar.
Es bedürfte vielmehr eines positiven Feststellungsbescheids gegenüber dem antragstellenden Krankenhaus. Es müsste also eine krankenhausplanerische Maßnahme bei dem antragstellenden Krankenhaus selbst vorliegen, auf welche sodann die Mehrleistungen gestützt werden können.

Derzeit liegt uns jedoch erst die Auffassung einer Schiedsstelle hierzu vor. Zudem wurde der Schiedsstellenbeschluss noch nicht genehmigt.

Dass die Schließung eines benachbarten Krankenhauses grundsätzlich einen Ausnahmetatbestand im Pflegesatzrecht darstellen kann, wird auch durch die Rechtsprechung zu § 6 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 BPflV i. d. F. vom 31. Dezember 2012 (BPflV a. F.) bestätigt. Bei der Auslegung dieser Regelung wurde davon ausgegangen, dass die zusätzlichen Leistungen gerade nicht unmittelbar auf einer planerischen Festsetzung gegenüber dem jeweiligen Krankenhaus beruhen mussten. Vielmehr genügte eine mittelbare Auswirkung einer planerischen Entscheidung, etwa durch die Schließung eines benachbarten Krankenhauses (BVerwG, Urteil vom 8. September 2005 - 3 C 41/04).

Sollten mittelbare Auswirkungen nicht unter den Tatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 1 gefasst werden können, so fallen diese möglicherweise aber unter den Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 (Ausführungen hierzu folgen sogleich).

§ 8 Abs. 1 Nr. 2 der Vereinbarung

Bisher liegt noch keine Entscheidung einer Schiedsstelle zur Nr. 2 des § 8 Abs. 1 der Vereinbarung (Naturkatastrophen oder Großschadensereignisse) vor. Nr. 2 regelt dabei zum einen die Beeinträchtigung des antragstellenden Krankenhauses selbst. Zum anderen umfassen Naturkatastrophen wie auch Großschadensereignisse aber gleichermaßen Schäden an Personen wie auch an Sachen – somit ist die Versorgung von Verletzten infolge eines solchen Ereignisses und logischerweise auch die damit verbundene Erlössteigerung im Tatbestand eindeutig angelegt und muss unserer Auffassung nach ebenso korrigierend berücksichtigt werden.

§ 8 Abs. 1 Nr. 3 der Vereinbarung

Streng am Wortlaut des § 8 Abs. 1 Nr. 3 der Vereinbarung orientiert, können hier nur solche Erlösveränderungen geltend gemacht werden, die aufgrund eines Insolvenzverfahrens des antragstellenden Krankenhauses selbst entstehen. Geht man jedoch davon aus, dass, aufgrund des Wortlauts („Eröffnung eines Insolvenzverfahrens des Krankenhauses") im Rahmen der Nr. 3 zwingend das antragstellende Krankenhaus von der Insolvenz betroffen sein muss, so unterstreicht dies zwangsläufig die Argumente dahingehend, dass auch mittelbare Auswirkungen unter den Tatbestand der Nr. 1 der Vereinbarung fallen. So lässt sich im Wortlaut der Nr. 1 diese Einschränkung („des Krankenhauses") gerade nicht finden. Folglich müsste konsequenterweise zu dem Schluss gekommen werden, dass im Rahmen der Nr. 1 der Vereinbarung auch mittelbare Auswirkungen vom Tatbestand der Vorschrift erfasst sein müssen.

§ 8 Abs. 2 der Vereinbarung

Die Schiedsstelle in Hessen hat hierzu kürzlich entschieden, dass § 8 Abs. 2 der Vereinbarung, trotz der Formulierung „einvernehmlich" schiedsstellenfähig ist. Voraussetzung hierfür sei aber, dass im Rahmen des Abs. 2 zu Abs. 1 gleich gelagerte/vergleichbare Sachverhalte oder Tatbestände geltend gemacht werden. Dem ist aus unserer Sicht zu folgen:

Auf das Vorliegen einer Vereinbarung nach § 8 Abs. 2 kommt es gerade nicht an. Bei Nichteinigung der Vertragsparteien tritt die Schiedsstelle an deren Stelle. Anders als die Genehmigungsbehörde ist die Schiedsstelle nicht auf eine reine Rechtskontrolle beschränkt, sondern kann auch vertragsgestaltend tätig werden. Wir verweisen hierzu auf BVerwG, Urt. v. 26. September 2009, Az. 3 C 7/08 zur Schiedsstellenfähigkeit von § 6 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 BPflV a.F. Der Krankenhausträger hatte einen Anspruch auf Abschluss einer Vereinbarung nach § 6 Absatz I 4 Nr. 1 BPflV a.F., wenn die Voraussetzungen dieses „Ausdeckelungstatbestandes" gegeben sind. Kommt eine hiernach gebotene Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien nicht zu Stande, so bedarf es eines Verfahrens, in dem die Vereinbarung ersetzt wird. Hierfür sieht der § 18 Absatz IV KHG – allein – das Schiedsverfahren vor.

Zusammenfassung

Bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen des § 8 der Vereinbarung und wenn das antragstellende Krankenhaus – durch Vorlage entsprechender Nachweise - geltend machen kann, dass ein unmittelbarer Ursachenzusammenhang zwischen dem Ausnahmetatbestand und dem Erlösanstieg/-rückgang vorliegt, sind diese Leistungsstrukturveränderungen im Rahmen des Corona-Ganzjahresausgleichs korrigierend zu berücksichtigen.

Wir sehen hier somit durchaus gute Chancen, mit der entsprechenden Argumentation und Aufarbeitung der Zahlen, nicht coronabedingte Leistungsstrukturveränderungen zugunsten der Krankenhäuser erfolgversprechend geltend zu machen.