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Zur personellen Neuausrichtung als Ausnahmetatbestand von der Mindestmengenregelung des G-BA

Durch die gesetzlichen Änderungen infolge des Krankenhausstrukturgesetzes (KHSG) werden auch die Mindestmengenregelungen des G-BA an Bedeutung zunehmen. Dies gilt insbesondere auch für die Ausnahmeregelungen. Nach der bislang geltenden Anlage 2 Nr. 4 Mm-R werden u. a. bei „personeller Neuausrichtung bestehender Leistungsbereiche" Übergangszeiträume von maximal 24 Monaten eingeräumt.

Divergierende Schiedsstellenentscheidungen

Zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes der personellen Neuausrichtung liegen inzwischen mehrere – sich widersprechende – Schiedsstellenentscheidungen vor.

- Nach Auffassung der Schiedsstelle Niedersachsen genügt ein bloßer Chefarztwechsel
  nicht für die Bejahung des Ausnahmetatbestandes. Es bedürfe auch einer anderen
  fachlichen Schwerpunktsetzung (Beschl. v. 21. Mai 2015 – SK 01/2015; Beschl. v. 19.
  Februar 2015 – SK 01/2016).

- Demgegenüber hat die Schiedsstelle Westfalen-Lippe entschieden, dass die
  personelle Änderung dazu führen muss, dass sich die Ausrichtung der Abteilung
  in prägender Weise ändert, wie es bei Chefarztwechseln regelmäßig der Fall ist
  (Beschl. v. 8. Februar 2016 – SchSt-KHG 8/15).

- Schließlich ist die Schiedsstelle Rheinland zum Ergebnis gekommen, dass eine neue
  Schwerpunktorientierung nicht erforderlich ist, da die Regelung von personeller und
  nicht fachlicher Neuausrichtung spricht (Beschl. v. 25. Januar 2016 – 1/2015).

Gesetzesbegründung

Für die Auffassung der Schiedsstelle Rheinland spricht insbesondere die für die Vorgängervorschrift des § 137 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB V maßgebliche Gesetzesbegründung. Hiernach „sind Ausnahmetatbestände festzulegen, bei deren Vorliegen von der Mindestmenge abgewichen werden kann, z. B. beim Wechsel des behandelnden Arztes oder beim Aufbau eines Leistungsbereiches durch einen bereits erfahrenen Arzt" (BT-Drs. 14/7862, S. 5).

Regelungswille des G-BA

Der G-BA hat dieses Beispiel ganz offensichtlich mit Anlage 2 Nr. 4 Mm-R umsetzen wollen. So schreibt Fahlbusch, Justiziarin des G-BA: „Zum anderen gibt es Umstände, die so gravierend sind, dass sie sich auf etwaige Fallzahlen maßgeblich auswirken können. Bei besonderen Leistungen kann etwa der Frage, welcher Arzt der entsprechenden Abteilung vorsteht, maßgebliche Bedeutung zukommen: Kommt ein hoch renommierter Arzt in eine Klinik oder verlässt er diese, können sich die Fallzahlen stark ändern. Dieser Aspekt ist mit dem Ausnahmetatbestand ‚personelle Neuausrichtung' aufgegriffen." (GesR 2012, S. 274/275).

Eigene Bewertung

Sowohl der Wortlaut als auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen dafür, dass ein personeller Wechsel genügt. Demgegenüber würde die von der Schiedsstelle Niedersachsen vertretene Rechtsauffassung dazu führen, dass ein Krankenhaus bei Nachbesetzung durch einen gleichermaßen qualifizierten Chefarzt keinen Ausnahmetatbestand geltend machen könnte, obwohl dieser die Leistungen in gleicher Qualität und – nach Ablauf eines Übergangszeitraumes – gleicher Anzahl wie der Vorgänger weiter erbringt.

Es ist zu hoffen, dass der G-BA auf der Grundlage der neu gefassten Bestimmung des § 136b Abs. 3 Satz 1 SGB V eine entsprechende Präzisierung des Ausnahmetatbestandes vornimmt.