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Vertragsfreiheit beim Abschluss von Vergütungsvereinbarungen mit Privatkliniken oder gebundene Vorgaben durch die GOÄ?

Ob Privatkliniken an die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) gebunden sind, ist seit Jahren Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Trotz vermeintlich gefestigter Rechtsprechung flammt der Streit regelmäßig neu auf. So auch jüngst in einer neuen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH), die eine Abkehr von der ursprünglichen Rechtsprechung einläutet.

(K)eine Bindung an die Gebührenordnung für Ärzte?

Der Ausgangspunkt für die Frage, ob die Privatkliniken an die GOÄ gebunden sind, ergibt sich aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 GOÄ:

Die Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Ärzte bestimmen sich nach dieser Verordnung, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist."

Diese Formulierung eröffnet im juristischen Diskurs unterschiedliche Interpretationswege.

Bisherige Vergütungsrechtsprechung bei Privatkliniken

In einem Urteil aus dem Jahr 2012 hat das Bundessozialgericht (BSG) erstmals klar festgestellt, dass Privatkliniken gemäß § 30 GewO nicht an die GOÄ gebunden sind (Urteil vom 11.09.2012, Az. B 1 KR 3/12, Rn. 38 f.). Eng am Wortlaut des § 1 Abs. 1 GOÄ ausgelegt, ist es nach dieser Rechtsprechung allein entscheidend, ob der Patient einen Behandlungsvertrag mit dem Träger des Krankenhauses oder mit dem behandelnden Arzt selbst geschlossen hat. Nur soweit der tätig werdende Arzt die von ihm erbrachten Leistungen selbst in Rechnung stellt, findet auch die GOÄ Anwendung. Für die Privatkliniken bedeutet das im Umkehrschluss, dass sie als Leistungserbringer und Behandelnder gerade nicht nach den Vorgaben der GOÄ abrechnen müssen, sondern ihre Preise frei vereinbaren können.

Diese Rechtsprechung wurde seitens des BSG im Jahr 2017 (Urteil vom 11.07.2017, Az. B 1 KR 1/17, Rn. 30), als auch durch das LG Duisburg im Jahr 2022 (Urteil vom 24.11.2022, Az. 12 O 190/21 (rechtskräftig)) und das OLG Frankfurt im Jahr 2023 (Beschluss vom 21.09.2023, Az. 6 W 69/23 und Urteil vom 09.11.2023, Az. 6 U 82/23), nochmal bestätigt.
Das LG Duisburg schließt sich explizit der Auffassung an, dass eine Bindung an die GOÄ einen Behandlungsvertrag mit einem Arzt voraussetzt. In diesem Zusammenhang betont es konsequent, dass es nicht auf die Erteilung einer Konzession gemäß § 30 GewO ankommt, sondern auf den Vertragspartner.

Auch im Beschluss des OLG Frankfurt wird nochmals bestätigt, dass Adressat der GOÄ ausschließlich Ärzte als Vertragspartner des Patienten aus dem Behandlungsvertrag sein können und damit die GOÄ bei Privatkliniken gerade keine Anwendung findet.

Von keiner zu einer Bindung an die GOÄ

Mit einer neuen Entscheidung hat der BGH nun in einer 180 Grad Wendung für ambulant erbrachte Leistungen von seiner früheren Rechtsprechung Abstand genommen (Urteil vom 04.04.2024, Az. III ZR 38/23). Weg von einer engen, hin zu einer weit gefassten Auslegung des Wortlauts von § 1 Abs. 1 GOÄ, wonach

„die Verordnung auf alle ,beruflichen Leistungen der Ärzte' anwendbar [ist], ohne dass zwischen Leistungen differenziert wird, die auf Grund eines Behandlungsvertrags zwischen Arzt und Patient oder von Ärzten im Rahmen eines Anstellungs- oder Beamtenverhältnisses ohne eine eigene vertragliche Beziehung zum Patienten erbracht werden."

Damit macht der BGH die Anwendung der Verordnungsermächtigung nunmehr nicht davon abhängig, dass der tätig werdende Arzt die von ihm erbrachten Leistungen auch selbst in Rechnung stellt. Es findet insofern keine Unterscheidung mehr zwischen selbstständigen und angestellten Ärzten statt. Unter Zugrundelegung des Sinns und Zwecks der GOÄ sei es vielmehr erforderlich einen angemessenen Interessenausgleich zwischen denjenigen, die die Leistung erbringen und denjenigen, die zu ihrer Vergütung verpflichtet sind, zu schaffen. Die GOÄ basiere als öffentlich-rechtliches Preisrecht auf dem Prinzip, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Honorierung ärztlicher Leistungen und dem Schutz zahlungspflichtiger Patienten oder Kostenträger vor übermäßiger finanzieller Belastung zu gewährleisten. Auf dieser Argumentation gestützt, betont der BGH in seiner Entscheidung, dass

„[...] es nicht nachvollziehbar [wäre], die Interessen der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten als weni-ger schutzbedürftig und die Interessen der an den Entgelten Berechtigten als weniger reglungsbedürftig anzusehen, wenn die ärztliche Tätigkeit durch einen Arzt erbracht wird, der von einer juristischen Person beschäftigt wird, mit welcher der Patient einen Behandlungsvertrag abschließt."

Der BGH sieht daher die GOÄ immer dann als anwendbar an, wenn ärztliche Leistungen einem Patienten in Rechnung gestellt werden, unabhängig davon, wer der Vertragspartner ist.

Zusammenfassung

Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass es durch den neu eingeschlagenen Weg des BGH für die Anwendbarkeit der Vorschriften der GOÄ im Rahmen der ambulanten Leistungserbringung nun nicht mehr auf den Vertragspartner ankommt, sondern ausschließlich darauf, dass die Vergütung für die beruflichen Leistungen eines Arztes geltend gemacht wird. Privatkliniken sind damit in Zukunft ebenfalls verpflichtet, ihre ambulanten Leistungen gegenüber Selbstzahlern nach der GOÄ abzurechnen.

Ob sich die Bindung an die GOÄ darüber hinaus auch auf stationär erbrachte Leistungen erstreckt, klärt der BGH nicht abschließend. Nicht erfasst sind stationäre Leistungen jedenfalls dann, wenn sie nach dem KHG, dem KHEntgG oder der BPflV vergütet werden (siehe Tz. 23). Offen bleibt, was für stationäre Leistungen nicht zugelassener Krankenhäuser gilt. Konsequent gedacht lässt die Argumentationsstruktur des BGH zwar den Schluss zu, dass auch stationär erbrachte Leistungen nach den Vorgaben der GOÄ abgerechnet werden müssen, denn nur so ließe sich kompromisslos der vom BGH hervorgehobene Sinn und Zweck der GOÄ,

„ein für alle Ärzte geltendes zwingendes Preisrecht zu etablieren"

erreichen. Andererseits werden bei der stationären Behandlung ja nicht nur ärztliche Leistungen erbracht, sondern insbesondere auch Unterkunft und Verpflegung sowie Pflegeleistungen. Es handelt mit sich mithin um einen Leistungskomplex, der von der GOÄ nicht umfassend erfasst wird. Es bleibt abzuwarten, ob hierzu in Zukunft eine weitere Klärung erfolgt.