Seit dem 29. September 2023 liegt die achte Stellungnahme und Empfehlung der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung vor. Diese befasst sich nun doch mit den „Psych-Fächern", namentlich Psychiatrie, Psychosomatik und Kinder und Jugendpsychiatrie. Zuvor waren diese von den mit der dritten Stellungnahme der Regierungskommission gemachten Reformvorschlägen explizit ausgeschlossen. Nach jetziger Auffassung der Regierungskommission stellen sich zentrale Fragen zu den Psych-Fächern mit Blick auf die allgemeine Krankenhausreform, unter anderem, inwieweit die Psych-Fächer ebenfalls nach Leveln gruppiert werden sollen, inwieweit sie ebenfalls Leistungsgruppen zugewiesen bekommen sollen und inwieweit sie ebenfalls per Vorhaltevergütung finanziert werden sollen.
Die westlichen Kernaussagen der Regierungskommission sind:
Krankenhaus-Level
Die Regierungskommission empfiehlt, dass Abteilungen der Psych-Fächer an allen Krankenhäusern der Level In bis III(U) geführt werden können. Level Ii-Krankenhäuser können keine Abteilungen oder Leistungsgruppen der Psych-Fächer betreiben, sollen aber mit derartigen Abteilungen oder Kliniken kooperieren und sich zum Beispiel mit diesen telemedizinisch vernetzen. Da ein voraussehbarer Schwerpunkt der Level Ii-Krankenhäuser die Behandlung betagter und hochbetagter Menschen sein wird, ist insbesondere eine engmaschige gerontopsychiatrische Kooperation anzustreben.
Damit ein Krankenhaus ein bestimmtes Level erreicht, muss es nach den Empfehlungen der Regierungskommission eine bestimmte Mindestzahl von Leistungsgruppen anbieten. Die Regierungskommission empfiehlt, dass bis zu zwei (der drei) Psych-Fächer auf diese Mindestzahl angerechnet werden können. Für die Erwachsenenpsychiatrie empfiehlt die Regierungskommission nachdrücklich, diese zumindest an Krankenhäusern der Level II und III vorzuhalten.
Für die Psychosomatik empfiehlt die Regierungskommission, diese als eigenständige Abteilung an Krankenhäusern des Levels III vorzuhalten und an Krankenhäusern niedrigeren Levels zumindest einen psychosomatischen Konsildienst zu etablieren. Bemerkenswert sind die klaren Ausführungen der Regierungskommission dahingehend, dass der Bedarf für eine kinder- und jugendpsychosomatische Versorgung als gegeben angesehen wird, zum Beispiel mit Blick auf häufige Erkrankungen und Beschwerdebilder in dieser Altersgruppe wie chronische Schmerzsyndrome, dissoziative Störungen oder Anpassungsstörungen bei chronischen oder schwerwiegenden somatischen Erkrankungen.
Bei der Krankenhausversorgung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie bestehen große regionale Unterschiede. Die Regierungskommission empfiehlt daher den bedarfsangemessenen Ausbau kinder- und jugendpsychiatrischer Versorgungsstrukturen, um regionale Unterschiede auszugleichen.
Leistungsgruppen und Strukturqualität
Die allermeisten erwachsenen- und kinder- und jugendpsychiatrischen Krankenhausabteilungen/Kliniken erfüllen einen regionalen Versorgungsauftrag, was bedeutet, dass sie für die zu versorgende Bevölkerung das gesamte Spektrum der Psychiatrie bzw. der Kinder- und Jugendpsychiatrie abdecken müssen, was auch die Versorgung psychiatrischer Notfälle beinhaltet. Die Regierungskommission ist der Auffassung, dass diese flächendeckende Versorgung auch zukünftig garantiert sein muss, weshalb es den Planungsbehörden in den Bundesländern potenziell möglich sein muss, die Vergabe somatischer Leistungsgruppen an Krankenhäuser notfalls daran zu koppeln, dass das Krankenhaus auch die psychiatrische Versorgung der Region übernimmt. Als zwei getrennte Leistungsgruppen sollen die (Erwachsenen-)Psychiatrie sowie die Kinder- und Jugendpsychiatrie betrachtet werden.
Psychosomatik
Die Regierungskommission hält eine Differenzierung in verschiedene Leistungsgruppen für möglich. Diese sollte aber nur dann erfolgen, wenn hierdurch Leistungsgruppen mit unterschiedlichen Strukturvoraussetzungen oder unterschiedlichem Vorhalteaufwand resultieren. Soweit psychosomatische Behandlungen durch spezialisierte Stationen oder Abteilungen im Rahmen der Inneren Medizin durchgeführt werden sollen, muss dies durch die Zuweisung einer hierfür spezifischen Leistungsgruppe geregelt sein, so die Regierungskommission.
PPP-RL
Es bestehen Zweifel bei der Regierungskommission, ob die gegenwärtig vom G-BA festgelegten Regeln, insbesondere die drohenden Sanktionen, den Grundsätzen der Angemessenheit und Fairness entsprechen, weshalb die Regierungskommission zunächst ein Aussetzen der ab 1. Januar 2024 greifenden Sanktionsbewehrung anrät. Die Sanktionen sollten ausgesetzt bleiben, bis eine Überarbeitung zu angemessenen Regularien geführt hat. Die Regierungskommission empfiehlt daher und mit dem Ziel der Gleichbehandlung psychisch und somatisch kranker Patientinnen und Patienten, die Sanktionen nach der PPP-RL den Prinzipien und der Höhe der Sanktionen bei Verletzung der Pflegepersonaluntergrenzen in der somatischen Medizin (§ 137i Abs. 1 und 4b SGB V) anzugleichen.
Vorhaltebudget
Die Regierungskommission spricht sich gegen eine erneute Reform der Vergütung der Psych-Fächer zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus und empfiehlt, zunächst erwünschte und unerwünschte Auswirkungen des neuen Entgeltsystems systematisch zu evaluieren. Dies beinhaltet auch, dass aus der Vergütung der Psych-Fächer bis auf Weiteres keine allgemeine Vorhaltevergütung auszugliedern ist.
Tagesstationäre Behandlung/Tageskliniken
Die Abteilungen und Kliniken der Psych-Fächer verfügen bereits weitgehend flächendeckend über Tageskliniken, für die eigene Vergütungsmodalitäten vereinbart sind. Diese Vergütungswege sollen nach Empfehlung der Regierungskommission beibehalten werden, was bedeutet, dass keine Anwendung der neuen Regeln für die tagesstationäre Vergütung erfolgt. Die Regierungskommission spricht sich für das Ziel einer settingübergreifenden Behandlung aus, was bedeutet, dass das Behandlungssetting flexibel wechselnd nach den Bedürfnissen der Patientin oder des Patienten vollstationär, tagesklinisch, ambulant oder aufsuchend gewählt werden sollte. Zur Förderung dieses Ziels empfiehlt die Regierungskommission, dass die Psych-Fächer nicht nur in den ausgewiesenen Tageskliniken, sondern auch auf allen vollstationären Behandlungsplätzen tagesklinisch nach den vereinbarten tagesklinischen Vergütungsmodalitäten behandeln dürfen. Ferner sollte die getrennte Ausweisung von vollstationären und teilstationären (tagesklinischen) Behandlungsplätzen in den Landeskrankenhausplänen überwunden werden.
Institutsambulanzen
Die Regierungskommission empfiehlt dem Gesetzgeber, kurzfristig Maßnahmen zu ergreifen, damit eine Versorgung der Bevölkerung durch psychosomatische Institutsambulanzen in allen Bundesländern sichergestellt wird. Die Vergütung der Institutsambulanzen unterscheidet sich zwischen den Bundesländern.
Das sogenannte „Bayerische Modell" beinhaltet die Vergütung jeder einzelnen Behandlungsleistung getrennt nach Berufsgruppe, Zeitaufwand und Setting. Hierfür existiert im Bayerischen Modell eine bürokratiearme, einfache Dokumentation und Abrechnungsmöglichkeit. Das Bayerische Modell ist nach Auffassung der Regierungskommission ein Anreiz, den Patientinnen und Patienten der Institutsambulanzen tatsächlich die erforderliche Behandlung zukommen zu lassen, während Quartalspauschalen potenziell ein Anreiz sind, möglichst keine Leistungen zu erbringen, die über das für die Pauschale erforderliche Maß hinausgehen. Aus den genannten Gründen empfiehlt die Regierungskommission, das Bayerische Modell bundesweit einzuführen. Zugleich sollte geprüft werden, inwieweit die Grundprinzipien des Bayerischen Modells mit seiner vorbildlichen Transparenz, Einfachheit und Bürokratiearmut auf andere, stärker bürokratisierte Bereiche des Gesundheitswesens, zum Beispiel andere besondere ambulante Behandlungsformen (etwa §§ 115 ff. SGB V), übertragen werden kann.
Regionalbudgets, sektorübergreifende Quartals- oder Kopfpauschalen
Die Regierungskommission erachtet derzeit diese Modelle (§ 64b SGB V) noch nicht als geeignet, pauschal und obligat auf ganz Deutschland übertragen zu werden, unter anderem, da sich die ambulante Versorgung durch den KV-Bereich regional stark unterscheidet und in den bislang durchgeführten Modellprojekten der KV-Bereich in der Regel nicht eingebunden war
Fazit
Durch die achte Stellungnahme und Empfehlung der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung werden für die Psych-Fächer wesentliche zukunftsträchtige Weichenstellungen vorgeschlagen, welche zwangsläufig mit Folgefragen verbunden sein werden. Es wird sich zeigen, ob und in welchem Umfang der Gesetzgeber diese Empfehlungen aufgreifen wird. Diese Aktivitäten müssen aufmerksam verfolgt werden.