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Vorsicht beim Einsatz eigener Ärzte im fremden MVZ - eigener Betriebsrat könnte Mitbestimmungsrechte geltend machen

Der Betriebsrat muss nach § 99 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) der Einstellung von Arbeitnehmern im eigenen Betrieb zustimmen. Unter „Einstellung" fällt u.a. auch die Beschäftigung von Fremdarbeitnehmern wir z.B. Leiharbeitnehmern. Dies ist bekannt und nicht neu. Nach der erst kürzlich veröffentlichten Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. August 2013 (Az: 6 TaBV 953/13) soll der Betriebsrat (des Krankenhauses) aber dem Einsatz von Fremdpersonal auch dann zustimmen müssen, auch wenn dieses nur außerhalb des Betriebes (nämlich im Medizinischen Versorgungszentrum anstatt Krankenhaus) mit dem ärztlichen Personal des Krankenhauses zusammenarbeitet.

Sachverhalt

Die Arbeitgeberin war ein städtisches Krankenhaus. Die Arbeitgeberin war Eigentümerin eines Gebäudes, in dem eine 100 %ige Tochter der Arbeitgeberin ein Gesundheitszentrum (Medizinisches Versorgungszentrum) betrieb. Das Gesundheitszentrum (GZB) und das Krankenhaus waren räumlich getrennt. In diesem GZB werden der Arbeitgeberin an zwei bis drei Tagen pro Woche zwei komplett eingerichtete Operationssäle zur Verfügung gestellt. Daneben stellt das GZB der Arbeitgeberin neben dem Anästhesisten und dem Anästhesie-Fachpersonal auch OP-Schwestern und OP-Pfleger, denen von den angestellten Ärzten der Arbeitgeberin bei den durchzuführenden Operationen Anweisungen erteilt werden.

Arbeitgeberin und Betriebsrat stritten um die Frage, ob der Betriebsrat dem Einsatz des Personals des GZB in den Operationssälen des GZB aufgrund der engen Zusammenarbeit mit dem ärztlichen Personal des Krankenhauses nach § 99 BetrVG zustimmen muss.

Die Arbeitgeberin argumentierte, dass die Operationssäle nicht zu ihrem Betrieb gehörten. Auch stelle nicht jeder Einsatz von Fremdpersonal eine mitbestimmungspflichtige Einstellung dar. Dass der Vertragsarbeitgeber des Fremdpersonals (GZB) ihr als seinem Auftraggeber die Erteilung notwendiger Einzelanweisungen überlasse, begründe keinen rechtlichen Unterschied, sondern sei nur eine Frage der praktikablen Vertragsdurchführung.

Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg

Das LAG Berlin-Brandenburg folgte der Argumentation der Arbeitgeberin in seinem Beschluss vom 30. August 2013 (AZ: 6 TaBV 953/13) nicht. Der Einsatz von Mitarbeitern des GZB, die bei Operationen in deren Räumlichkeiten durch angestellte Ärzte der Arbeitgeberin als OP-Schwestern und OP-Pfleger zur Verfügung gestellt werden, stelle eine Einstellung i.S.d. § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG dar. Anders verhalte es sich lediglich hinsichtlich der Anästhesie-Fachkräfte, weil diese unter Anleitung eines vom GZB selbst eingesetzten Anästhesisten tätig werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt eine Einstellung i.S.d. § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG vor, wenn Personen in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert werden, um zusammen mit den dort beschäftigten Arbeitnehmern dessen arbeitstechnischen Zweck durch weisungsgebundene Tätigkeiten zu verwirklichen. Es kommt nicht auf das Rechtsverhältnis an, in dem diese Personen zum Arbeitgeber als Betriebsinhaber stehen. Maßgebend ist, ob die von ihnen zu verrichtenden Tätigkeiten ihrer Art nach weisungsgebundene Tätigkeiten sind, welche der Verwirklichung des arbeitsrechtlichen Zwecks des Betriebs zu dienen bestimmt sind und deshalb vom Arbeitgeber organisiert werden müssen. Erforderlich und ausreichend ist, dass der Betriebsinhaber die für eine weisungsabhängige Tätigkeit typischen Entscheidungen auch über Zeit und Ort der Tätigkeit zu treffen hat. Der Betriebsinhaber muss in diesem Sinne Personalhoheit besitzen und damit wenigstens einen Teil der Arbeitgeberstellung gegenüber den betreffenden Personen wahrnehmen (BAG vom 13. Dezember 2005, Az.: 1 ABR 51/04).

Diese bekannten Grundsätze entwickelte das LAG Berlin-Brandenburg nun weiter und bejahte im vorliegenden Fall die Eingliederung in den Betrieb der Arbeitgeberin.

Es reiche aus, dass die vom MVZ gestellten OP-Schwestern und OP-Pfleger vollumfänglich den Weisungen der operierenden Ärzte unterliegen. Es sei Sache der von der Arbeitgeberin mit den Operationen betrauten Ärzten, die Erbringung der nichtärztlichen Leistungen während der Operation zu organisieren. Der Einsatz des Personals des GZB in deren eigenen Räumlichkeiten sei für die Eingliederung in den Betrieb der Arbeitgeberin (Krankenhaus) irrelevant. Ebenso sei unerheblich, dass der Arbeitgeberin hinsichtlich dieser sozialen Angelegenheit keine Befugnisse zukommen. Im Ergebnis vergleicht das LAG Berlin-Brandenburg die vorliegende Situation mit einer Arbeitnehmerüberlassung, bei der es ebenfalls zu einer Aufspaltung der Arbeitgeberstellung komme.

Fazit der Entscheidung und Ausblick

Die Mitarbeiter des GZB werden nach Ansicht des LAG Berlin-Brandenburg im Ergebnis in den Betrieb Krankenhaus eingegliedert, wenn sie mit den Ärzten des Krankenhauses in den Räumlichkeiten des GZB zusammenarbeiten und von diesen Weisungen erhalten. Wir halten diese Entscheidung für bedenklich, da sie im Widerspruch zum herkömmlichen Betriebsbegriff des BetrVG steht und letztlich allein auf das Weisungsrecht abstellt.

Nach den in der Rechtsprechung und Lehre entwickelten Grundsätzen handelt es sich bei einem Betrieb um eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Unternehmer allein oder zusammen mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe sachlicher und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, wobei die an der Betriebsstelle vorhandenen Betriebsmittel und die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden. Und eben an der organisatorischen Einheit kann es im vorliegenden Fall fehlen. Auch ist ein einheitlicher Leitungsapparat bei der Zusammenarbeit zwischen den Ärzten des Krankenhauses und dem Pflegepersonal des MVZ in den OP-Sälen des GZB nicht ersichtlich. Es liegt vielmehr nahe, hier lediglich eine tatsächliche Zusammenarbeit (Arbeitsgemeinschaft) anzunehmen. An den entscheidenden Punkten im Sachverhalt bleibt der Beschluss des LAG Berlin-Brandenburg aber leider unklar.

Ob die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg ein Einzelfall bleibt oder möglicherweise gar vom BAG aufgehoben wird, ist bislang noch nicht abzusehen. Jedenfalls müssen aber Krankenhäuser, die ihre eigenen Ärzte auch in einem Gesundheitszentrum oder Medizinischen Versorgungszentrum einsetzen, damit rechnen, dass die Betriebsräte mit der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg Mitbestimmungsrechte hinsichtlich der Mitarbeiter des Gesundheitszentrums bzw. Medizinischen Versorgungszentrums einfordern werden.

Um dem vorzubeugen, könnte angedacht werden, die Betriebsräte vorsorglich nach § 99 BetrVG anzuhören. Selbst wenn der Betriebsrat der Einstellung der Mitarbeiter des Gesundheitszentrums bzw. Medizinischen Versorgungszentrums (Einstellung im juristischen Sinne, tatsächlich erfolgt lediglich eine Zusammenarbeit) nicht zustimmen sollte, wäre eine vorläufige Durchführung mit § 100 BetrVG möglich. Handelt es sich jeweils um kurzfristige Maßnahmen, könnte der Betriebsrat die Maßnahmen damit nicht verhindern. Maßgeblich sind aber stets die Umstände des Einzelfalls.