Rechtsgrundlagen für Fachkliniken
Mit dem Inkrafttreten des Krankenhaustransparenzgesetzes am 28. März 2024 wurde § 135d Abs. 4 Satz 3 SGB V eingeführt, der erstmals eine bundesweit einheitliche Definition für Fachkrankenhäuser (Fachkliniken) vorsieht. Demnach werden Fachkliniken, die sich auf bestimmte Erkrankungen, Krankheitsgruppen oder Personengruppen spezialisiert haben und einen relevanten Versorgungsanteil in diesem Bereich leisten, von der zuständigen Landesbehörde der Versorgungsstufe „Level F“ zugeordnet.
Durch das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG), das am 12. Dezember 2024 in Kraft getreten ist, wurde eine weitere Voraussetzung geregelt: Mindestens 80% der im Vorjahr abgerechneten Fälle müssen in höchstens vier der in Anlage 1 zu § 135e SGB V genannten Leistungsgruppen erbracht worden sein – abzüglich der Fälle aus den Leistungsgruppen Nr. 1 (Allgemeine Innere Medizin) und Nr. 14 (Allgemeine Chirurgie).
Fälle aus diesen beiden Basisleistungsgruppen werden bei der Berechnung der 80%-Quote und der maximal vier Leistungsgruppen explizit nicht mitgezählt. Das bedeutet, Fachkliniken dürfen zwar weiterhin Leistungen aus der Allgemeinen Inneren Medizin und der Allgemeinen Chirurgie erbringen, diese beeinflussen jedoch nicht den Status als Fachklinik („Level F“).
Strikte Strukturvorgaben und Leistungsbegrenzung
Die neue Definition schließt Fachkliniken, deren Leistungsspektrum ausschließlich oder überwiegend in die Gruppen „Allgemeine Innere Medizin“ oder „Allgemeine Chirurgie“ fällt, von der Anerkennung als Fachklinik aus. Dies betrifft insbesondere hochspezialisierte Einrichtungen, deren besondere Leistungen (z. B. multimodale Schmerztherapie) nicht explizit in den 61 Leistungsgruppen abgebildet sind und die daher durch die Grouperlogik in eine der beiden allgemeinen Gruppen eingeordnet werden. Solche Kliniken verlieren ihren Fachklinik-Status, obwohl sie nach allgemeinem Sprachgebrauch und Versorgungsrealität eindeutig als Fachkliniken gelten.
Der Grundsatz, wonach es im Rahmen der Leistungsgruppen für die Allgemeine Innere Medizin und Allgemeine Chirurgie keine Fachkliniken geben kann, ergibt sich auch nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 135d Abs. 4 Satz 3 SGB V, sondern lediglich aus den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 20/13407, S. 292f.), denen nach der Rechtsprechung jedoch nur eingeschränkte Bedeutung für die Gesetzesauslegung zukommt.
Wirtschaftliche Risiken und Statusverlust
Die Neuregelung zwingt die Landesbehörden zu einer Einzelfallprüfung und hebt pauschale Zuweisungen (wie sie etwa in Bayern bisher galten) auf. Für viele spezialisierte Kliniken bedeutet dies einen drohenden Verlust des Fachklinik-Status und damit einhergehender Sonderregelungen, was ihre wirtschaftliche Existenz gefährden kann. In Bayern wurde die bestehende Allgemeinverfügung zur Zuordnung von Level F bereits mit einer neuen Allgemeinverfügung vom 23. April 2025 aufgehoben und die sofortige Vollziehung angeordnet (BayMBl. 2025 Nr. 178), was perspektivisch Auswirkungen auf die Abrechnungsfähigkeit und die Planungssicherheit der betroffenen Häuser hat.
Verfassungsrechtliche Bedenken
Die aktuelle Regelung wird von uns als verfassungsrechtlich problematisch bewertet. Die Ungleichbehandlung von hochspezialisierten Kliniken, deren Leistungen mangels passender Leistungsgruppe der Allgemeinen Inneren Medizin zugeordnet werden, im Vergleich zu Kliniken mit bis zu vier unterschiedlichen Leistungsgruppen, ist als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu werten. Für diese Ungleichbehandlung gibt es keinen sachlichen Rechtfertigungsgrund, zumal die betroffenen Kliniken oft keine intensivmedizinischen oder röntgendiagnostischen Kapazitäten benötigen, die ihnen nun als Mindestvoraussetzung abverlangt werden.
Zukunftsperspektiven und Reformbedarf
Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag 2025 angekündigt, die Definition des Fachkrankenhauses zu überarbeiten, um den Bestand versorgungsrelevanter Fachkliniken zu sichern. Es sollen Ausnahmeregelungen und erweiterte Kooperationsmöglichkeiten geschaffen werden, um die Vielfalt und Spezialisierung der Kliniklandschaft zu erhalten und Versorgungslücken zu vermeiden. Bis zur Umsetzung dieser angekündigten Änderungspläne empfehlen wir, notfalls Rechtsschutz gegen negative Einstufungsbescheide in Anspruch zu nehmen, um den Fachkrankenhaus-Status zu sichern.
Zusammenfassung
Das neue Krankenhaustransparenzgesetz bringt für die Fachkliniken tiefgreifende strukturelle und wirtschaftliche Herausforderungen. Die aktuelle Definition und die strikte Anwendung der Leistungsgruppen führen dazu, dass zahlreiche hochspezialisierte Kliniken ihren Status und damit ihre Existenzgrundlage verlieren könnten. Verfassungsrechtliche Bedenken und die Gefahr einer Versorgungslücke machen eine rasche Nachbesserung der gesetzlichen Vorgaben erforderlich. Die Bundesregierung hat entsprechende Korrekturen angekündigt, um die Versorgung relevanter Fachkliniken zu sichern und flexible, bedarfsgerechte Strukturen zu ermöglichen. Sollte dies unterbleiben, bleibt betroffenen Einrichtungen nur der Rechtsweg, um ihren Status zu verteidigen.