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Erben erben alles – sogar den Urlaub

Tote benötigen keinen Urlaub, so die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Diesen Grundsatz hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 12. Juni 2014 (Az C-118/13) gekippt. Die Erben erben künftig den Urlaubsanspruch des verstorbenen Arbeitnehmers, der vom Arbeitgeber abzugelten ist. Hieraus folgen für den Arbeitgeber finanzielle Risiken, die jedoch durch geschickte Vertragsgestaltung minimiert werden können.

Zur Rechtslage

Nach § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) ist der Urlaub abzugelten, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann.

Nach bisher ständiger Rechtsprechung des BAG (zuletzt 20. September 2011, Az 9 AZR 416/10) erlosch der Urlaubsanspruch, wenn das Arbeitsverhältnis mit dem Tod des Arbeitnehmers endete. Nach Ansicht des BAG ist der Urlaubsanspruch höchstpersönlich und kann nicht übertragen werden, was gegen die Vererbbarkeit spricht. Der Abgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG war nur dann vererbbar, wenn er bereits entstanden war, nicht aber wenn er erst mit dem Tod des Arbeitnehmers entstehen soll. Der Arbeitnehmer durfte nach bisheriger Rechtsprechung nur nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis sterben, um den Urlaubsabgeltungsanspruch vererben zu können. Scheidet er mit dem Tod aus dem Arbeitsverhältnis aus, hatten die Erben keinen Anspruch auf Abgeltung.

Dieser Rechtsansicht widerspricht nun der EuGH in seinem Urteil vom 12. Juni 2014 (Az C-118/13). Der bezahlte Jahresurlaub sei ein im Unionsrecht verankertes grundlegendes Arbeitnehmerrecht und ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts. Ein finanzieller Ausgleich sei unerlässlich, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endete, um die praktische Wirksamkeit des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub sicher zu stellen. Andernfalls führe ein unwägbares, weder beim Arbeitnehmer noch vom Arbeitgeber beherrschbares Vorkommnis rückwirkend zum vollständigen Verlust des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub.

Zu den Folgen

Nach dem aktuellen Urteil des EuGH darf nun der Arbeitnehmer auch im laufenden Arbeitsverhältnis sterben, um seinen Urlaubsanspruch vererben zu können. Seine Erben erben den Urlaubsanspruch, der finanziell abzugelten ist.

Arbeitgeber müssen also in Zukunft damit rechnen, dass die Erben des verstorbenen Arbeitnehmers Ansprüche auf Urlaub stellen. In dem vom EuGH zu entscheidenden Fall handelte es sich immerhin um eine Forderung von rund EUR 16.000,00.

Zur Risikominimierung

Die oben beschriebene Rechtslage gilt allerdings nur für den gesetzlichen Mindesturlaub, der nach § 3 Abs. 1 BUrlG 20 Werktage (bei einer 5-Tage-Woche) beträgt. Regelmäßig haben die Arbeitnehmer aber einen höheren Urlaubsanspruch, der ihnen entweder durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag gewährt wird.

Der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehende, individualvertraglich oder tarifvertraglich gewährte Urlaubsanspruch darf grundsätzlich anderen Regelungen als der gesetzliche Mindesturlaub unterworfen sein, die aber zwingend eigenständig formuliert werden müssen. Wird in den Urlaubsregelungen des Arbeitsvertrages oder des Tarifvertrages nicht zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem zusätzlich gewährten Urlaub differenziert, unterfällt der gesamte Urlaubsanspruch den gesetzlichen Regelungen.

In Zukunft ist es daher umso wichtiger, zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem zusätzlich gewährten Urlaub in den (tarif-)vertraglichen Regelungen zu differenzieren. Um jegliches Missverständnis zu vermeiden sollte dabei auch klargestellt werden, dass bei der Urlaubsgewährung stets zuerst der gesetzliche Mindesturlaub gewährt wird.

Die (tarif-)vertraglichen Regelungen werden damit zwar umfangreicher, aber nur so lassen sich im Einzelfall erhebliche Forderungen der Erben oder auch eine fast unbegrenzte Übertragung des nicht gebrauchten Urlaubs im Falle der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers (vgl. EuGH vom 3. Mai 2012, Az C-337/10) vermeiden. Ein Blick in die im Unternehmen aktuell verwendeten Urlaubsregelungen und gegebenenfalls eine Anpassung derselben lohnt daher.