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Mindestmengenregelung (Mm-R): BVerfG nimmt Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an

Mit Beschluss vom 20. August 2009 hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eine Mindestmenge von 14 Geburten Früh- und Neugeborener mit einem Gewicht < 1250 g (sog. „Level-1-Geburten") mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2010 festgelegt. Nachdem sowohl die Klage vor dem LSG Berlin-Brandenburg als auch die Revision erfolglos blieben, erhoben neun – teils kirchliche, teils kommunale – Krankenhausträger gegen die Urteile des BSG (Az. B 1 KR 15/15 R) und LSG (Az. L 1 KR 258/12 KL) sowie gegen den Beschluss des G-BA Verfassungsbeschwerde.

Sie rügten insbesondere die Verletzung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) sowie des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).

Mit Beschluss vom 6. Oktober 2016 (Az. 1 BvR 292/16) hat die 1. Kammer des Ersten Senats des BVerfG beschlossen, die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen.

Kommunale Krankenhausträger nicht grundrechtsfähig

Das BVerfG stellte wiederholt klar, dass kommunalen Krankenhausträgern, die sich überwiegend in öffentlicher Hand befinden, die Grundrechtsfähigkeit und damit die Beschwerdebefugnis fehlt. Es hält damit an seiner ständigen Rechtsprechung fest.

Verletzung der materiellen Grundrechte nicht hinreichend konkret dargetan

Jedenfalls hatten die Beschwerdeführer aber ihre gegenwärtige und unmittelbare Betroffenheit in eigenen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten nicht hinreichend konkret dargetan. Sie hatten weder dargelegt, dass sie durch die Mindestmengenfestsetzung bislang einen konkreten Nachteil erlitten hätten, noch substantiiert dargelegt, dass klar absehbar sei, dass sie künftig von der angegriffenen Regelung nachteilig betroffen sein werden.

Gesetzliche Regelungen nicht berücksichtigt

Die Begründung der Verfassungsbeschwerde setzte sich zudem nicht mit der Regelung des § 137 Abs. 3 Satz 3 SGB V a.F. (heute: § 136b Abs. 5 Satz 1 und 2 SGB V) auseinander. Schließlich können die für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörden hiernach auf Antrag eines Krankenhauses die Nichtanwendung des Erbringungsverbots erklären, wenn die Anwendung der Mm-R die Sicherstellung der Versorgung gefährden könnte. Aufgrund der fehlenden Thematisierung war für das BVerfG nicht erkennbar, ob und bei welchem Beschwerdeführer eine gegenwärtige Beschwer vorliegen könnte.

Auch mit der Neuregelung des § 136b Abs. 3 Satz 1 SGB V, wonach der G-BA Ausnahmetatbestände und Übergangsregelungen vorsehen soll, um unbillige Härten zu vermeiden, hätten sich die Beschwerdeführer nach Auffassung des BVerfG auseinandersetzen müssen. Dies gelte umso mehr, als die zwischenzeitlich „in nicht unerheblichem Maße zu Gunsten der Krankenhäuser geänderte Rechtslage offenbar nicht zu konkret nachteiligen Folgen für die Beschwerdeführer geführt" habe.

Weiterhin gewichtige Zweifel an der demokratischen Legitimation des G-BA

Aus oben genannten Gründen sah sich das BVerfG nicht veranlasst, sich mit der demokratischen Legitimation des G-BA auseinanderzusetzen. Wie schon im Beschluss vom 10. November 2015 (Az. 1 BvR 2056/12) bekräftigte die 1. Kammer des Ersten Senats jedoch die „durchaus gewichtigen Zweifel an der demokratischen Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses als Institution".

Keine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter

Auch eine Verletzung im grundrechtsgleichen Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) wurde nicht hinreichend substantiiert dargelegt, obwohl insoweit die gegenwärtige und unmittelbare Betroffenheit der Beschwerdeführer nicht in Zweifel stand.

Fazit und Empfehlung

Im Ergebnis ist festzustellen, dass die Begründung der Verfassungsbeschwerde den gesetzlichen Anforderungen nicht gerecht wurde und insbesondere eine Auseinandersetzung mit den einschlägigen Regelungen und der Rechtsprechung des BVerfG fehlte.

Der Beschluss zeigt auf, dass Verfassungsbeschwerden einer äußerst sorgfältigen Vorbereitung bedürfen sowie einer Begründung, welche alle Regelungen und Entscheidungen in den Blick nimmt, die – wenn auch nur annähernd – Auswirkungen auf die Beschwer des Beschwerdeführers haben könnten. Daher ist mit dieser Entscheidung der Weg anderer (insbesondere: grundrechtsfähiger) Krankenhausträger zum Bundesverfassungsgericht nicht abgeschnitten.

Obwohl die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen wurde, betonte das BVerfG wiederholt seine gewichtigen Zweifel an der demokratischen Legitimation des G-BA.