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Mai 2022

Outsourcing verboten?

Das BSG hat mit Urteil vom 27. April 2022 – B 1 KR 15/21 R entschieden, dass Krankenhäuser wesentliche Leistungen ihres Versorgungsauftrags nicht auf Dritte auslagern dürfen. Konkret ging es um ein Krankenhaus mit dem Versorgungsauftrag für Strahlentherapie, welches keine betreffende Fachabteilung mehr betrieb, sondern die Bestrahlung durch eine in unmittelbarer Nähe befindliche ambulante Strahlentherapiepraxis erbringen ließ. Da die Urteilsgründe noch nicht vorliegen, kann zunächst nur eine erste Einschätzung auf Basis der veröffentlichten Pressemitteilung des BSG vom 27. April 2022 erfolgen.

Regelmäßige und planvolle Auslagerung

In der Pressemitteilung wird ausgeführt, dass Krankenhäuser zwar auch Leistungen Dritter abrechnen können, die für Behandlungen von ihnen veranlasst wurden (siehe § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG). Das Gesetz erlaube es jedoch nicht, dass das Krankenhaus wesentliche der von seinem Versorgungsauftrag umfassten Leistungen regelmäßig und planvoll auf Dritte auslagert, die nicht in seine Organisation eingegliedert sind. Zwar liegt noch keine nähere Begründung hierzu vor, jedoch ist davon auszugehen, dass sich das BSG insoweit u. a. auf die Formulierung in § 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG stützt („im Einzelfall"), auf die in Satz 2 verwiesen wird („unter diesen Voraussetzungen").

Räumliche, apparative und personelle Ausstattung für die Erfüllung des Versorgungsauftrags

Nach Auffassung des BSG hat das Krankenhaus für die vom Versorgungsauftrag ausgewiesenen Bereiche (Fachabteilungen, Zentren, Fachprogramme et cetera) die räumliche, apparative und personelle Ausstattung zur Erbringung der wesentlichen Leistungen selbst vorzuhalten. Nicht erfasst werden damit Leistungen für vom Versorgungsauftrag nicht ausgewiesene Leistungen. Dies könnte von Bedeutung sein für Leistungen, die der Feststellungsbescheid nicht dem originären Versorgungsauftrag des Krankenhauses unterstellt, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen in Kooperation mit ambulanten Leistungserbringern erlaubt. Entsprechende Regelungen gibt es etwa in Baden-Württemberg für die Strahlentherapie.

Nicht in die Krankenhausorganisation eingegliedert

Bemerkenswert ist die Formulierung, dass das Verbot für Dritte gilt, „die nicht in die Organisation des Krankenhauses eingegliedert sind". Hiervon geht die Rechtsprechung des 12. Senats des BSG bei sog. Honorarärzten allerdings regelmäßig aus (siehe etwa BSG, Urt. v. 04. Juni 2019 – B 12 R 20/18 R). Die Deutsche Rentenversicherung Bund sieht dies für Ärzte, die im Rahmen einer Kooperation des Krankenhauses mit einer Ärzte-GbR oder Ärzte-Partnerschaftsgesellschaft stationär im Krankenhaus tätig werden, genauso. Bei personellem Einsatz von Dritten wird es folglich darauf ankommen, inwieweit diese nach der BSG-Rechtsprechung nicht ohnehin eingegliedert sind. Zumindest der Einsatz einzelner Dritter bleibt daher möglicherweise weiter krankenhausrechtlich zulässig. Abschließend kann dies aber erst nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsgründe beurteilt werden.

Mit Spannung zu erwarten ist auch, was die schriftlichen Urteilsgründe zur gegenlautenden Rechtsprechung des BVerwG sagen werden. Letzteres hat erst jüngst mit Urteil vom 26. Februar 2020 – 3 C 14.18 entschieden, dass ein Krankenhaus die zur Aufnahme in den Krankenhausplan erforderliche personelle Leistungsfähigkeit auch mit ärztlichem Personal sicherstellen kann, das von einem anderen Krankenhaus zur Verfügung gestellt wird. Ob hier tatsächlich ein Widerspruch besteht, kann noch nicht abschließend beurteilt werden, denn das BVerwG hatte im konkreten Fall ausdrücklich darauf abgestellt, dass über den Kooperationsvertrag sichergestellt war, dass das erforderliche ärztliche Personal jederzeit verfügbar ist und für die Ärzte gem. § 2 Abs. 3 BPflV die gleichen Anforderungen gelten wie für die Leistungserbringung durch eigenes ärztliches Personal. Von einer generellen Freigabe des Outsourcings durch das BVerwG konnte also schon vor der Entscheidung des BSG nicht die Rede sein.

Wesentliche Leistungen

Wesentlich sind nach der Pressemitteilung alle Leistungen, die in der jeweiligen Fachabteilung regelmäßig notwendig sind – mit Ausnahme unterstützender und ergänzender Leistungen, wie etwa Laboruntersuchungen oder radiologische Untersuchungen. Kooperationen mit externen Laboren oder Radiologen sind also weiterhin zulässig, wobei sich bei zweiteren die Frage stellt, ob dies auch für radiologische Behandlungen gilt (z. B. in der interventionellen (Neuro-) Radiologie).

Drohen Rückforderungen?

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Krankenkassen das Urteil des BSG zum Anlass nehmen, in vergleichbaren Fällen geleistete Zahlungen zurückzufordern. Hierfür gelten aber die Schranken der Verjährung (§ 109 Abs. 5 SGB V) und der Präklusion (§ 17c Abs. 2a Satz 2 KHG).

Abschließende Bewertung

Im Ergebnis kommt die Entscheidung des BSG zwar nicht überraschend (siehe bereits das Urteil zur Ausgliederung des Heilmittelbereichs, BSG, Urt. v. 19. September 2013 – B 3 KR 8/12 R), jedoch wird sie erneut für Unruhe und Abrechnungsstreitigkeiten bei den Krankenhäusern führen. Der Gesetzgeber ist daher aufgefordert, Möglichkeiten und Grenzen der Kooperation zwischen Krankenhäusern und anderen, insbesondere ambulanten Leistungserbringern näher zu regeln. Letzteres ist nicht zuletzt wegen der explodierenden Kosten und dem grassierenden Ärztemangel zwingend erforderlich. So zwingt die Entscheidung des BSG zur Doppelvorhaltung von teuren Geräten und Fachärzten, ohne dass diese aus Qualitätsgründen erforderlich wäre.