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Teilweise Rückforderung von Umsatzsteueranteil auf Zytostatika möglich

BGH, Urt. v. 20. Februar 2019 - VIII ZR 7/18, VIII ZR 66/18, VIII ZR 115/18 und VIII ZR 189/18

Der 8. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) verhandelte erstmals über mögliche Rückforderungsansprüche von privaten Krankenversicherern gegenüber Krankenhausträgern am 20. Februar 2019.

Im Ergebnis sei eine – tatsächlich nicht angefallene – Umsatzsteuer, die für patientenindividuell hergestellte Zytostatika im Rahmen einer ambulanten Krankenhausbehandlung seitens der Apotheke des Krankenhauses in Übereinstimmung mit der Sichtweise der maßgeblichen Verkehrskreise als Teil der geschuldeten Vergütung berechnet worden ist, unter bestimmten Voraussetzungen – abzüglich des nachträglich entfallenden Vorsteuerabzugs der Krankenhausträger – an die Patienten beziehungsweise an deren private Krankenversicherer zurück zu gewähren. Dies ergebe sich aus einer gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung der getroffenen Vereinbarungen.

Hintergrund

Privat versicherte Patienten bzw. die dahinter stehenden Krankenversicherer haben an den jeweiligen Krankenhausträger Umsatzsteuer für die durch die hauseigenen Apotheken patientenindividuell erfolgte Herstellung von Zytostatika (Krebsmedikamenten zur Anwendung in der Chemotherapie), die im Rahmen ambulanter Krankenhausbehandlungen verabreicht wurden, gezahlt. Für die Abgabe solcher Medikamente an in den Jahren 2012 und 2013 ambulant in den Krankenhäusern behandelte Patienten stellten die beklagten Krankenhausträger jeweils Rechnungen aus, die eine Umsatzsteuer in Höhe von 19 % auf den Abgabepreis entweder gesondert auswiesen oder miteinschlossen. Die Finanzbehörden und die maßgeblichen Verkehrskreise gingen zum damaligen Zeitpunkt von einer entsprechenden Umsatzsteuerpflicht aus. Den in den Rechnungsbeträgen enthaltenen Umsatzsteueranteil führten die beklagten Krankenhausträger an die zuständigen Finanzämter ab.

Im Jahr 2014 entschied der Bundesfinanzhof (BFH), dass patientenindividuelle Zubereitungen wie Zytostatika, die von Krankenhausapotheken im Rahmen einer ambulanten Behandlung abgegeben werden, umsatzsteuerfrei sind. Eine Vielzahl von privaten Krankenversicherern fordert nunmehr gegenüber den Krankenhausträgern den angeblich zuviel gezahlten Umsatzsteueranteil von 19 Prozent zurück.

Bisheriger Rechtsprechungsverlauf

Bislang gibt es einen bunten Strauß an Entscheidungen der Instanzgerichte, dies mit unterschiedlichsten Ergebnissen.

Auf der Sachverhaltsebene stellten sich häufig Fragen, ob Umsatzsteuer überhaupt bezahlt wurde oder ob es sich im Rahmen der streitgegenständlichen Konstellation überhaupt um patientenindividuelle Zubereitungen handelte oder vielmehr um Fertigarzneimittel.

In rechtlicher Hinsicht wurde bislang das Preisbestimmungsrecht des Krankenhauses diskutiert sowie die Frage, ob eine Brutto- oder Nettopreisvereinbarung vorlag, dies in entsprechender Auslegung der jeweiligen Rechnungsangaben. In diesem Zusammenhang wurde auch von den Instanzgerichten die Fragestellung diskutiert, ob die entsprechenden Verträge wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage angepasst werden müssten.

Prüfungsschwerpunkt war in zahlreichen Fällen, welchen Inhalt die jeweiligen vertraglichen Preisabreden zwischen den Krankenhausträgern und den Patienten und welche Auswirkungen die Entscheidung des BFH und das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen auf diese Vereinbarungen haben.

Entscheidung des BGH

Der BGH hat sämtliche Berufungsurteile aufgehoben und die Sachen an das jeweilige Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die jeweils getroffenen Vereinbarungen zwischen Patient und Krankenhausträger über die Vergütung für die Verabreichung von Zytostatika seien als Bruttopreisabreden einzuordnen, bei denen der darin eingeschlossene – tatsächlich aber nicht angefallene – Umsatzsteueranteil nur einen unselbständigen und damit (anders als bei einer Nettopreisabrede) nicht automatisch rückforderbaren Vergütungsbestandteil darstelle.

Die getroffenen Bruttopreisabreden hindern jedoch, so der BGH, eine (teilweise) Rückforderung des gezahlten Umsatzsteueranteils nicht. Von den Berufungsgerichten sei nunmehr zu klären, ob und in welcher Höhe auf die getätigten Umsätze bezogene Vorsteuerabzüge von den beklagten Krankenhausträgern vorgenommen worden sind.

Letztendlich sei auch maßgebend, ob die Vertragsparteien bei Kenntnis der – bereits zum Zeitpunkt der Vertragsschlüsse bestehenden – wahren Steuerrechtslage sowie der daran anknüpfenden rechtstatsächlichen Entwicklungen (Änderung der Steuerpraxis) als redliche Vertragsparteien hypothetisch einen abweichenden Preis vereinbart hätten.

Fazit

Die ersten Entscheidungen des BGH zur Frage, ob Umsatzsteueranteile auf Zytostatika zurückgefordert werden können, zeigen, dass diese Frage nicht pauschal beantwortet werden kann und es auf die konkrete Sachverhaltskonstellation ankommt. Zahlreiche in diesem Zusammenhang stehende Fragestellungen sind noch nicht beantwortet. Beispielsweise wurde in diesen Verfahren nicht geltend gemacht, dass die Umsatzsteuerfestsetzungen bestandskräftig geworden sind. Bekanntlich sind noch zahlreiche andere in diesem Zusammenhang stehende Revisionsverfahren beim BGH anhängig. Deshalb muss jeder einzelne Sachverhalt individuell geprüft werden.