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Paradigmenwechsel bei der NUB-Vereinbarung: Nutzen nicht mehr zu prüfen!

In jüngster Zeit haben zwei Schiedsstellen - Hessen und Baden-Württemberg - ihre Schiedspraxis dahingehend geändert, dass sie bei der Festsetzung von Entgelten für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) nur noch eine reine Preisfestsetzungsbefugnis sehen. Eine weitergehende Zuständigkeit, insbesondere für die qualitative Bewertung einer Methode, haben diese Schiedsstellen abgelehnt. Hintergrund ist ein Urteil des BSG vom 19. Dezember 2017 (Az.: B 1 KR 17/17 R), mit welchem das BSG den Gegenstand der NUB-Vereinbarung gem. § 6 Absatz 2 KHEntgG auf eine reine Entgelthöhe reduziert hat. Die Schiedsstelle Hessen beschloss den Paradigmenwechsel mit den Schiedssprüchen von Sept. und Nov. 2018 (s. Clemens, 14. Jahresarbeitstagung Medizinrecht, „Ausgewählte Rechtsprobleme der Krankenhausfinanzierung vor der Krankenhaus-Schiedsstelle nach § 18a KHG“, S. 248). Die Schiedsstelle Baden-Württemberg wird dieser Beschlusspraxis laut Hinweis des Stellvertretenden Vorsitzenden folgen. Wenngleich Schiedsstellen nicht direkt der BSG-Rechtsprechung, sondern der Verwaltungsgerichtsbarkeit unterliegen, sehen sie einen Zusammenhang zur BSG-Rechtsprechung mit Blick auf die Abrechnungsebene der NUB.

Rechtsgrundlage und BSG-Rechtsprechung

Gem. § 6 Abs. 2 S. 1 KHEntgG sollen für die Vergütung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die mit den Fallpauschalen und Zusatzentgelten noch nicht sachgerecht vergütet werden können und die nicht gemäß § 137c SGB V von der Finanzierung ausgeschlossen worden sind, die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG zeitlich befristete, fallbezogene Entgelte oder Zusatzentgelte vereinbaren. Es ist vorab eine Anfrage beim InEK erforderlich, ob die in Frage stehende neue Methode mit Fallpauschalen und Zusatzentgelten sachgerecht vergütet werden kann. Zudem darf es keinen Ausschluss der Methode durch den G-BA gem. § 137c SGB V geben. Diese Voraussetzungen bleiben auch weiter.

Bis zum Jahr 2017 ging man zusätzlich davon aus, dass die Vertragsparteien über die Methode selbst an sich verhandeln und nicht nur die Entgelthöhe. Entsprechend bildete sich auch die Schiedspraxis dahingehend, dass eine gewisse Plausibilität für die Eignung und Unbedenklichkeit der Methode geprüft wurde. Das Krankenhaus hatte dabei plausibel die Eignung und Unbedenklichkeit der Methode darzulegen und den Krankenkassen oblag es, Anhaltspunkte für etwaige gravierende Mängel aufzuzeigen (s. Clemens, aaO. S. 243). Dies verlängerte die Verhandlungen zwischen den Parteien und das Schiedsstellenverfahren, im Gegenzug bestand nach erfolgreicher Einigung für die Krankenhäuser größtenteils eine gewisse Verlässlichkeit, dass die Methode später im Abrechnungsverfahren von den Kassen nicht noch einmal grundlegend in Frage gestellt würde.

Das BSG hat in seinem Urteil vom 19.12.2017 dagegen entschieden, dass NUB-Vereinbarungen weder abschließend den Anspruch der Krankenhäuser auf Zusatzentgelte bei der Versorgung GKV-Versicherter regeln, noch eine gegenüber dem Qualitätsgebot (§ 2 Abs. 1 S. 3 und § 70 Abs. 1 S 1 SGB V) speziellere Regelung treffen. § 6 Abs. 2 KHEntgG ist aus Sicht des BSG nichts weiter als eine Möglichkeit, preisrechtliche Vereinbarungen über NUB zu treffen, während das SGB V weiter allein maßgeblich bleibe für die Abrechnungsfähigkeit der Leistungen des Krankenhauses gegenüber Krankenkassen. 

Fazit und Bewertung

Positiv ist hervorzuheben, dass die neue Schiedspraxis der Beschleunigung von Schiedsstellenverfahren gerecht wird, da es innerhalb der 6-Wochen-Frist (§ 13 Abs. 2 KHEntgG) leichter ist, eine reine Preisfestsetzung zu treffen, als komplexe fachlichen Fragen im Zusammenhang mit der NUB zu klären.

Andererseits entfallen Fragen der qualitativen Bewertung der Methode damit nicht, sondern werden ggf. auf die Abrechnungsebene verlagert, wenn eine Krankenkasse der Auffassung ist, dass die Methode nach dem SGB V nicht zu ihren Lasten hätte erbracht werden dürfen. Auch die brisante und umstrittene - aus unserer Sicht zu bejahende - Frage, ob § 137c Abs. 3 SGB V („Potential“ einer Methode) im Krankenhausbereich eine speziellere Regelung gegenüber dem Qualitätsgebot (§ 2 Abs. 1 S. 3 und § 70 Abs. 1
S. 1 SGB V) bedeutet, bleibt durch die neue Schiedspraxis unangetastet. Es ist auch abzuwarten, ob die Rspr. des BSG dauerhaft Bestand hat, da sie für die vom Gesetzgeber bezweckte Innovationsförderung Unsicherheit schafft und zudem bereits eine Verfassungsbeschwerde zum Urteil vom 19.12.2017 anhängig ist.

Den betroffenen Krankenhäusern wird geraten, bei NUB-Verhandlungen mit den Krankenkassen im eigenen Interesse weiter zumindest kurz darzulegen, weshalb die Methode aus ihrer Sicht medizinisch geeignet und unbedenklich ist. Somit haben Krankenhäuser die Möglichkeit, frühzeitig etwaige Bedenken der Krankenkassen zu erfahren und nach Möglichkeit schon darauf einzugehen. Gleichzeitig sollten diese inhaltlichen Fragen, ausgehend von der neuen Schiedspraxis, die Preisfindung des NUB-Entgelts nicht hindern, so dass unabhängig von der Diskussion um die Methode unverzüglich die Schiedsstelle angerufen werden sollte, wenn eine Einigung innerhalb der 6-Wochen-Frist (§ 18 Abs. 4 KHG) nicht zustande kommt.

Die möglichst zügige Findung des Preises ist in jedem Fall ein wichtiger Etappensieg, was aufgrund der neuen Schiedspraxis nun zugunsten der Krankenhäuser deutlich verbessert wurde.