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Rechtsgutachten über die gesetzliche Ausgestaltung der MVZ-Regelungen: Verschärfung der MVZ-Gründungsvoraussetzungen möglich

15 Jahre nach Einführung der Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) hat das Bundesgesundheitsministerium im Februar 2020 ein Gutachten zur Bestandsaufnahme und als Grundlage für die Weiterentwicklung der Rechtsgrundlagen in Auftrag gegeben. Die für MVZ-Träger wesentlichen Empfehlungen der Gutachter haben wir im Folgenden kurz zusammengefasst:

Einführung einer Mindestgröße von drei Versorgungsaufträgen

Von Bedeutung ist vor allem die vorgeschlagene Neufassung des § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Seit der Einführung der MVZ war nie explizit geregelt, wie viele Ärzte bzw. Versorgungsaufträge erforderlich sind, damit die Voraussetzung für die Zulassung eines MVZ erfüllt werden. Die überwiegende Anzahl der Zulassungsgremien geht aktuell davon aus, dass mindestens zwei Ärzte mit jeweils mindestens einem hälftigen Versorgungsauftrag im MVZ tätig sein müssen. Die Gutachter schlagen hier eine ergänzende Konkretisierung (unterstrichener Text) des § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V vor:

„… ²Medizinische Versorgungszentren sind ärztlich geleitete Einrichtungen, die über mindestens drei volle Versorgungsaufträge verfügen und in denen Ärzte, die in das Arztregister (…) eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind; in Gebieten, in denen nach Feststellung der Landesausschüsse für Ärzte und Krankenkassen eine ärztliche Unterversorgung eingetreten ist oder droht (§ 100 Absatz 1 Satz 1) oder in denen ein zusätzlicher lokaler Versorgungsbedarf besteht (§ 100 Absatz 3), sind zwei volle Versorgungsaufträge ausreichend. …“

Damit würde künftig eine gesetzliche Mindestgröße für MVZ von mindestens drei Versorgungsaufträgen eingeführt. Bereits bestehenden kleineren MVZ soll ein Bestandsschutz gewährt werden. MVZ hingegen, die bereits bei Inkrafttreten der Neuregelung über mindestens drei Versorgungsaufträge verfügen, sollen bei nachträglicher Unterschreitung der Mindestgröße keinen Bestandschutz erhalten; sie würden ihre Zulassung verlieren, wenn sie die Gründungsvoraussetzung nicht innerhalb von sechs Monaten wieder herstellen.

Auswahlverfahren: Streichung der Konzeptbewerbung und Mindesttätigkeitsdauer

Sehr ausführlich geht das Gutachten auch auf die derzeitigen Regelungen zum Auswahlverfahren bei Praxisweiterführung ein. Letztlich wird empfohlen, die Möglichkeit der Bewerbung mit Angestellten beizubehalten, jedoch die vom BSG anerkannte, aber noch gesetzlich zu konkretisierende Konzeptbewerbung eines MVZ ohne Benennung eines bestimmten Arztes (vgl. BSG, Urteil vom 15. Mai 2019 – B 6 KA 5/18 R) gänzlich aufzugeben. Um kurzzeitige Nachbesetzungen der zugesprochenen Arztstelle und damit verbundene Umgehungsgefahren zu verhindern, wird die Einführung einer Mindesttätigkeitsdauer des angestellten Arztes von einem Jahr empfohlen.

Mindesttätigkeitsdauer bei Verzicht zugunsten der Anstellung

Auch im Rahmen der „Einbringung“ von Zulassungen in MVZ gem. § 103 Abs. 4a Satz 1 SGB V wird unter kritischer Würdigung des BSG-Urteils vom 04. Mai 2016 – B 6 KA 21/15 R statt der nun in der Praxis geltenden dreijährigen Anstellungsdauer eine gesetzlich angeordnete einjährige Mindesttätigkeitsdauer vorgeschlagen.

Keine Einschränkungen bei der Nachbesetzbarkeit von Arztstellen im MVZ

Erfreulich für alle MVZ-Träger ist die Empfehlung des Gutachtens, die bisherige Regelung des § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V unverändert beizubehalten. Damit können einmal im MVZ geschaffene Arztstellen (nach Einhaltung der o.g. Mindesttätigkeitsdauer) nicht im Zusammenhang mit der Neubesetzung der Arztstelle abgebaut werden (so derzeit Praxis z.B. in Baden-Württemberg).

Stärkung der Funktion des ärztlichen Leiters

Rund um die Funktion des ärztlichen Leiters fordern die Gutachter diverse gesetzliche Klarstellungen. Um seine medizinische Unabhängigkeit zu sichern, wird beispielsweise ein Verbot sachfremder finanzieller Anreize empfohlen. Darüber hinaus dürfte der vorgeschlagene Abberufungs- und/oder Kündigungsschutz die Wahl des ärztlichen Leiters für MVZ-Träger künftig erschweren. Demnach soll die Abberufung des ärztlichen Leiters nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig sein; bei Streitigkeiten über das Vorliegen eines wichtigen Grundes soll der Zulassungsausschuss über die Wirksamkeit der Abberufung entscheiden. Alternativ oder zusätzlich zum Abberufungsschutz wird die Einführung eines besonderen Kündigungsschutzes empfohlen.

Abkehr von der Gründereigenschaft und Neuregelung der Anforderungen an MVZ-Träger

Um auch angestellten Ärzten eine chancengleiche Inhaberschaft von MVZ zu ermöglichen, empfiehlt das Gutachten eine grundlegende Umstellung vom bisherigen Modell der „Gründungsberechtigung“ auf ein vereinfachtes System der „Betriebsberechtigung“. Durch die Definition der „berechtigten Träger“ soll ein Gesellschafterwechsel auf Trägerebene erleichtert werden. Ärzte mit genehmigter Anstellung (mindestens 10 Wochenstunden) im MVZ sollen stets als Träger (Gesellschafter) berechtigt werden, unabhängig davon, wann, von wem und in welchem Umfang sie ihren Gesellschaftsanteil erwerben. Darüber hinaus soll es in Fällen, in denen der Träger über mehrere MVZ verfügt, ausreichen, wenn der angestellte Arzt in mindestens einem dieser MVZ arbeitet.

Fazit

Das Gutachten lässt erahnen, dass auch in Zukunft mit zahlreichen Änderungen und Konkretisierungen der MVZ-Regelungen zu rechnen sein wird.

Es wird abzuwarten sein, welche Empfehlungen der Gutachter vom Gesetzgeber tatsächlich umgesetzt werden. Dennoch kann sich aus den Vorschlägen schon jetzt ein Handlungsbedarf ergeben:

Insbesondere MVZ-Träger, die die Gründung eines „kleinen MVZ“ mit weniger als drei vollen Versorgungsaufträgen planen, sollten die MVZ-Gründung zeitnah umsetzen.

Sollten Sie hierzu Fragen haben oder Unterstützung benötigen, stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung. Sobald Gesetzgebungsverfahren eingeleitet werden, mit denen Vorschläge der Gutachter umgesetzt werden sollen, werden wir Sie wieder informieren.