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Mai 2025

Bundesgerichtshof entscheidet grundlegende Rechtsfragen zur Liquidation von Wahlleistungen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 13. März 2025 in mehreren Revisionsverfahren grundlegende Rechtsfragen zur Liquidation von Wahlleistungen entschieden. Diese Urteile haben weitreichende Auswirkungen auf die Abrechnungspraxis in Krankenhäusern und die Gestaltung von Wahlleistungsverträgen.

Krankenhausträger sind berechtigt, das Liquidationsrecht bei wahlärztlichen Leistungen selbst auszuüben (BGH, Urt. v. 13. März 2025, Az. III ZR 426/23)

Mit Urteil vom 13. März 2025 (Az. III ZR 426/23) hat der BGH u.a. bestätigt, dass Krankenhausträger berechtigt sind, das Liquidationsrecht bei wahlärztlichen Leistungen eigenständig im Rahmen eines totalen Krankenhausaufnahmevertrages auszuüben. Dies beendet eine lang umstrittene Rechtsfrage. Eine gegenteilige Entscheidung hätte erhebliche praktische Folgen gehabt, da Chefärzte mittlerweile in der Regel nicht mehr über das originäre Liquidationsrecht verfügen, sondern an den wahlärztlichen Einnahmen beteiligt werden.

Keine zahlenmäßige Begrenzung für Wahlärzte – Qualifikation entscheidend (BGH, Urt. v. 13. März 2025, Az. III ZR 426/23)

Der BGH widerspricht in dieser Entscheidung zudem der von den PKVen oft vorgebrachten Argumentation, dass eine „Ausweitung" von Wahlärzten innerhalb eines Fachgebiets unzulässig sei. Eine solche abstrakte Gefahr bestehe zwar grundsätzlich, unabhängig davon, ob das Krankenhaus eine große oder kleine Anzahl von Wahlärzten in der Wahlleistungsvereinbarung vorsehe. Entscheidend sei vielmehr die fachliche Qualifikation der Wahlärzte. Fehlt es an dieser besonderen Qualifikation, wäre die Wahlleistungsvereinbarung gemäß § 17 Abs. 3 KHEntgG unwirksam. Das Gesetz sehe keine Beschränkung hinsichtlich der Anzahl der Wahlärzte vor. Daher lasse sich auch aus der Tatsache, dass in einer kardiologischen Fachklinik 24 Ärzte als Wahlärzte tätig seien, kein Hinweis auf die Unwirksamkeit der Wahlleistungsvereinbarung ableiten.

Da es nach dem BGH vorrangig auf die besondere fachliche Kompetenz des Wahlarztes ankommt, spielt auch die Übernahme einer Leitungsfunktion keine zwingende Rolle. Zwar kann eine solche Funktion auf eine herausgehobene Stellung und besondere Expertise hindeuten, sie ist jedoch keine zwingende Voraussetzung für die Tätigkeit als Wahlarzt. Damit bestätigt der BGH, dass die Eigenschaft als Wahlarzt nicht auf Chefärzte beschränkt ist.

Flexibilität bei der Zuordnung – klare Zuständigkeit erforderlich, aber auch ausreichend (BGH, Urt. v. 13. März 2025, Az. III ZR 426/23)

Ein weiterer wichtiger Punkt der Entscheidung betrifft die Zuordnung der Patienten zu den Wahlärzten und die transparente Aufteilung nach Zuständigkeitsbereichen. Nach Ansicht des BGH ist es – entgegen den bisher geäußerten Rechtsauffassungen – nicht erforderlich, dass der Patient von Anfang an genau weiß, welcher Wahlarzt ihn behandeln wird. Dies ist besonders in Fällen unklarer Diagnosen oder komplexer Krankheitsbilder häufig nicht möglich. Wichtig sei jedoch, dass die Wahlleistungsvereinbarung bzw. die Wahlarztliste die Zuständigkeiten der einzelnen Wahlärzte im Vorfeld verbindlich festlegt.

Insgesamt trägt die Entscheidung des BGH erheblich zur Rechtssicherheit bei und schafft eine praxisnahe Grundlage für die Gestaltung von Wahlleistungsvereinbarungen in Krankenhäusern.

Eine Vertretungsregelung, die es erlaubt, "dass wahlärztliche Leistungen ohne besondere Bedingungen durch einen anderen Arzt als Vertreter des Wahlarztes ausgeführt werden" verstößt gegen § 17 Abs. 3 KHEntgG (BGH, Urt. v. 13. März 2025, Az. III ZR 40/24)

In einem weiteren Urteil vom 13. März 2025 (Aktenzeichen III ZR 40/24) ging es um die Frage der Rechtswirksamkeit einer individuellen Stellvertretervereinbarung. Auf die Revision der Beklagten wurde das Urteil des Landgerichts Münster vom 27. Februar 2024 (Az. 8 S 2/23) aufgehoben und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die Klägerin, ein Krankenhaus, verlangte von der beklagten Patientin die Zahlung von 3.300,87 € für eine stationäre Behandlung, die über die DRG hinaus als Wahlleistung (Chefarztbehandlung) abgerechnet wurde. Die Beklagte bestreitet die Berechtigung dieser Abrechnung, da die Operation nicht vom ursprünglich gewählten Chefarzt, sondern von einem anderen Arzt auf Grundlage einer Individualvereinbarung durchgeführt wurde. Das Berufungsgericht hatte entschieden, dass die Vereinbarung zwischen den Parteien eine Individualregelung enthielt, die eine Behandlung durch den Oberarzt ohne Begründung und ohne besondere Voraussetzungen, insbesondere ohne zwingende Verhinderung (d.h. nicht in Abwesenheit) des Chefarztes erlaube. Das Landgericht Münster sah darin keine Nichtigkeit nach §134 BGB i. V. m. § 17 Abs. 3 KHEntgG.

Der BGH hob dieses Urteil auf. Er entschied, dass eine Vereinbarung, die eine Vertretung des Chefarztes „ohne besondere Voraussetzungen" erlaubt, gegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG verstoße und daher nichtig sei. Eine bedingungslose Vertretung des Wahlarztes würde nach dem BGH den Kerngehalt der vereinbarten wahlärztlichen Leistungen konterkarieren. Eine solche Vereinbarung dürfe gerade nicht allein durch eine Krankenhaus- oder auf ärztliche Initiative getroffen werden.

Die Entscheidung betraf einen Sachverhalt, in dem weder der Wahlarzt verhindert war noch besondere weitere Umstände hinzutraten, die den Einsatz eines Vertreters und die Abrechnung als besondere Leistung im Unterschied zu Regelleistungen objektiv rechtfertigen können. Der BGH stellt fest, dass Wahlleistungen (Chefarztbehandlungen) nur unter engen rechtlichen Voraussetzungen auf einen Vertreter übertragen werden können. Eine generelle Stellvertretung ohne zwingende Verhinderungsgründe des Wahlarztes bzw. weitere Voraussetzungen ist – so der BGH – unzulässig.

Wenngleich der sog. Wunscharzt/gewillkürte Stellvertretung nicht Gegenstand der Entscheidung war, stellt sich doch die Frage, wie mit diesen Vereinbarungen zukünftig umzugehen ist. Die Instanzgerichte (bspw. das LG Regensburg, Urt. V. 22. Februar 2022, Az. 23 S 63/21 und AG Cloppenburg, Urt. V. 27. Oktober 2015, Az. 21 C 58/15) haben bisher überwiegend eine Wunschvertretervereinbarung in den Fällen als zulässig erachtet, in denen der Patient ausdrücklich und aus eigenem Willen heraus einen anderen als den ursprünglich benannten Wahlarzt für eine Behandlung wünscht, etwa aufgrund dessen besonderer Expertise oder persönlicher Präferenzen und unabhängig davon, ob der eigentliche Wahlarzt verhindert ist (a. A. bspw. AG Oldenburg, Urt. V. 9. August 2018, Az. 1 C 1032/18). Der BGH hatte die Frage, ob die Vereinbarung eines solchen Wunscharztes zulässig ist, in einem früheren Urteil (Az. III ZR 85/14) bisher offengelassen.

Die rechtliche Zulässigkeit einer solchen Wunscharztvereinbarung war zwar weiterhin bisher nicht Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Der BGH trifft jedoch in der neuen Entscheidung vom 13. März 2025 grundlegende Aussagen, die die Zulässigkeit der gewillkürten Vertretung von Wahlärzten bei grundsätzlicher Anwesenheit des eigentlichen Wahlarztes im Krankenhaus in Frage stellen. Damit ist der Abschluss einer solchen Wunscharztvereinbarung – selbst auf ausdrücklichen Patientenwunsch hin – zukünftig mit weitaus größeren rechtlichen Unsicherheiten verbunden als bisher.

Fazit

Die aktuellen Entscheidungen sorgen zumindest teilweise für mehr Klarheit bei der Abrechnung wahlärztlicher Leis-tungen und der Gestaltung der Wahlleistungsvereinbarung.

Wir empfehlen, Wahlleistungsverträge im Lichte der neuen Rechtsprechung zu überprüfen, um (Rest-)Risiken im Zusammenhang mit der Verwendung und Abrechnung wahlärztlicher Leistungen auszuschließen. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass sich die privaten Krankenkassen aufgrund dieser Entscheidungen Wahlleistungsvereinbarungen und insbesondere Individualvereinbarungen genauer ansehen.