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BSG gibt bisherige Rechtsprechung zu § 137c Abs. 3 SGB V auf!

Am 25. März 2021 hatte das BSG über die Frage zu entscheiden, ob im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ein Anspruch auf eine Behandlung mittels Liposuktion besteht, obwohl im Behandlungszeitpunkt diese Behandlungsmethode nicht den Anforderungen an das Qualitätsgebot gemäß § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V entsprach.

In der Vergangenheit hatte das BSG stets betont, dass die Vorgaben des Qualitätsgebots für jede Behandlung zu beachten sind. Dies setzt voraus, dass die Behandlungsmethode dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht, was grundsätzlich durch wissenschaftlich einwandfrei geführte Studien nachzuweisen ist.

Zuletzt hatte das BSG sich mit seiner Entscheidung vom 24. April 2018, Az. B 1 KR 10/17 R, auf den Standpunkt gestellt, dass auch der zum 23.07.2015 neu eingeführte § 137c Abs. 3 SGB V hieran nichts ändert (vgl. unsere Mandanteninformation vom Mai 2018). Diese Entscheidung des BSG war auf starke Kritik gestoßen, da sie den erkennbar entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers ignorierte, der eine Behandlung im Krankenhaus zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen auch dann ermöglichen wollte, wenn die angewandte Behandlungsmethode das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet.

Mit seiner Entscheidung vom 25. März 2021, Az. B 1 KR 25/20 R, hat das BSG nun eine kaum für möglich gehaltene Kehrtwende vollzogen! In dem bereits vorliegenden Terminbericht Nr. 14/21 heißt es hierzu:

„Soweit der Senat außerhalb von Erprobungsrichtlinien für den Anspruch Versicherter auf Krankenhausbehandlungen auch nach Inkrafttreten des § 137c Abs. 3 SGB V an seiner Rechtsprechung festgehalten hat, dass für die dabei eingesetzten Methoden der volle Nutzennachweis im Sinne eines evidenzgestützten Konsenses der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute erforderlich ist, gibt er seine Rechtsprechung auf. § 137c Abs. 3 SGB V beinhaltet eine partielle Einschränkung des allgemeinen Qualitätsgebots. Dies folgt aus dem Wortlaut der Regelung und der Normgeschichte des § 137c SGB V unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien."

Das BSG stellt allerdings auch klar, dass § 137c Abs. 3 SGB V gleichwohl restriktiv auszulegen ist. Vor Erlass einer entsprechenden Erprobungsrichtlinie soll der Anspruch auf die Versorgung mit solchen Potenzialleistungen nur im Rahmen eines individuellen Heilversuchs möglich sein, wenn es

1. um eine schwerwiegende, die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung geht,

2. keine andere Standardbehandlung verfügbar ist und

3. die einschlägigen Regelungen der Verfahrensordnung des G-BA für die Annahme des Potenzials einer erforderlichen Behandlungsalternative erfüllt sind.

Zwar lässt sich immer noch diskutieren, ob diese zusätzlichen von dem BSG aufgestellten Voraussetzungen mit § 137c Abs. 3 SGB V vereinbar sind. Die Entscheidung des BSG entzieht jedoch der derzeit gängigen Argumentation der Krankenkassen den Boden, wonach für § 137c Abs. 3 SGB V überhaupt kein Anwendungsbereich mehr verbleiben soll und in allen Konstellationen das Qualitätsgebot zu wahren wäre. Jedenfalls in Behandlungsfällen mit entsprechend schwerwiegenden Erkrankungen kann nach dem Scheitern der Standardbehandlung bei entsprechender Datenlage mit § 137c Abs. 3 SGB V argumentiert werden. Wie die von dem BSG aufgestellten weiteren Voraussetzungen im Einzelnen auszufüllen sind, wird in der Zukunft von den Instanzgerichten zu klären sein.