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MVZ-GbR: Geschäftsführende Alleingesellschafter können nach Verzicht auf die Zulassung nicht zugleich als angestellte Ärzte in der GbR genehmigt werden

Das BSG hat in der mündlichen Verhandlung am 26. Januar 2022 entschieden, dass die Revision des beklagten Berufungsausschusses Erfolg hat. Dieser hatte die Anstellungsgenehmigungen für zwei Ärzte der klagenden GbR aus Sicht des BSG zu Recht abgelehnt. Da die Ärzte Geschäftsführer der MVZ-GbR und zu gleichen Teilen an der Gesellschaft beteiligt sind, können sie nicht gleichzeitig dort angestellt sein, so das BSG.

Zugrunde liegender Sachverhalt

Das antragstellende MVZ ist in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisiert, an der beide Ärzte als Gesellschafter jeweils hälftig beteiligt sind. Die Ärzte verzichteten zuvor auf ihre Zulassung und beantragten die Zulassung eines MVZ in Form einer GbR sowie die Genehmigung zur Anstellung von sich selbst.

Der Zulassungsausschuss entsprach den Anträgen zunächst, der Berufungsausschuss lehnte jedoch die Anstellungsgenehmigungen ab.

Vorinstanz

Der Entscheidung des BSG ging das Urteil des SG Magdeburg vom 18. November 2020 – S 1 KA 25/18 – voraus. Das SG Magdeburg verpflichtete den beklagten Berufungsausschuss zunächst, die Anstellungen zu genehmigen. Diese Entscheidung hob das BSG nun auf.

Begründung des BSG

Eine Anstellungsgenehmigung könne – so der Terminbericht des BSG – auch dann, wenn ein Vertragsarzt in einem gesperrten Planungsbereich auf seine Zulassung verzichtet, um in einem MVZ tätig zu werden, nur erteilt werden, wenn der betreffende Arzt ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis in dem MVZ anstrebe.

Das Vertragsarztrecht unterscheide zwischen angestellten Ärzten und Vertragsärzten. Die Einordnung als angestellter Arzt schließe die Zulassung als Vertragsarzt aus und umgekehrt könne einem zugelassenen Vertragsarzt für dieselbe Tätigkeit nicht gleichzeitig eine Anstellungsgenehmigung erteilt werden.

Zwar werde der Begriff der "Anstellung" im deutschen Recht nicht einheitlich auf Tätigkeiten in einem (sozialversicherungsrechtlich) abhängigen Beschäftigungsverhältnis bezogen. Gleichwohl ergebe sich aus Systematik, Entstehungsgeschichte und Zweck der vertragsarztrechtlichen Regelungen, dass der Begriff im Vertragsarztrecht nicht in einem weiten zivilrechtlich geprägten, sondern im sozialversicherungsrechtlichen Sinne des Beschäftigten zu verstehen sei.

Soweit der Senat in verschiedenen Entscheidungen die Annäherung der Stellung des angestellten Arztes an die des Vertragsarztes betont habe, betrifft dies die Stellung des angestellten Arztes im vertragsärztlichen System, etwa bezogen auf seine Mitgliedschaft in der KÄV oder seine Berücksichtigung bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen oder der Honorarverteilung. Dies ändere aber nichts an dem Status des angestellten Arztes als abhängig Beschäftigter im sozialversicherungsrechtlichen Sinne.

Auch aus den mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz eingeführten und mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz erweiterten Regelungen zur Aufrechterhaltung der Gründereigenschaft von angestellten Ärzten im MVZ könne nicht abgeleitet werden, dass speziell für die in einem MVZ tätigen Ärzte ein anderer - eigenständiger - Begriff des angestellten Arztes gelten würde als sonst im Vertragsarztrecht.

Dass Gesellschafter zugleich abhängig Beschäftigte "ihrer" Gesellschaft sein könnten, sei nicht zweifelhaft. So könnten nach stRspr des für Versicherungspflichtstreitigkeiten zuständigen 12. Senats des BSG selbst Gesellschafter-Geschäftsführer abhängig beschäftigt sein, wenn sie nicht die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen und damit die eigene Weisungsgebundenheit als Angestellte der Gesellschaft aufzuheben. Dies sei aber bei den beiden Ärzten, für die die MVZ GbR hier die Erteilung von Anstellungsgenehmigungen begehrt hatte, gerade nicht der Fall: Beide sind Geschäftsführer und zu gleichen Teilen an der Gesellschaft beteiligt und können - da Beschlüsse der Gesellschaft der Einstimmigkeit bedürfen - ihnen nicht genehme Beschlüsse und Weisungen verhindern.

Konsequenzen für die Praxis

Die Entscheidung hat Auswirkungen auf zukünftige MVZ-Konstellationen, in denen angestellte Ärzte zugleich Gesellschafter der MVZ-Trägergesellschaft sein wollen. Die Entscheidung erging zwar für eine MVZ-GbR, gilt aber entsprechend auch für eine MVZ-GmbH.

Das BSG betont, dass Ärzten, für die eine Anstellungsgenehmigung im MVZ beantragt wird, für ihre vertragsärztliche Tätigkeit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zum MVZ stehen müssen. Das BSG stellt nicht in Abrede, dass Gesellschafter zugleich abhängig Beschäftige ihrer Gesellschaft sein können. Sie dürfen dabei aber keinen derartigen Einfluss auf die Gesellschaft haben, dass sie die Weisungsgebundenheit im Beschäftigungsverhältnis aufheben können.

Wo die Grenzlinie zur Einflussnahme zu ziehen ist bzw. ab wann nicht mehr von einer Abhängigkeit gesprochen werden kann, ergibt sich aus dem aktuell nur vorliegenden Terminbericht des BSG zwar nicht. Allerdings werden hier die allgemeinen Grundsätze aus dem Sozialversicherungsrecht gelten, wonach eine abhängige Beschäftigung eines bei der MVZ GbR (oder GmbH) mit gesonderten Vertrag auch angestellten Gesellschafters vorliegt, wenn die Gesellschafterstellung so ausgestaltet ist, dass er im Rahmen seines Anstellungsvertrages Anweisungen der Gesellschaft unterworfen ist und diese nicht aufgrund seiner Stimmrechte oder eines Vetorechts bei bestimmten Maßnahmen verhindern kann.

Bei zukünftigen Gestaltungen (auf bestandskräftig genehmigte Konstellationen dürfte die Entscheidung keine Auswirkungen haben) hat die Entscheidung Auswirkungen auf insbesondere folgende weitere Konstellationen:

  • Minderheitsbeteiligungen von Krankenhäusern an MVZ-Gesellschaften, bei denen die (ggf. abgebenden) Ärzte Mitgesellschafter und zugleich noch drei Jahre im MVZ angestellt sind.

  • Gründung einer MVZ-Gesellschaft durch mehrere Ärzte (insbesondere Umwandlung einer BAG in ein MVZ) bei Verzicht zu Gunsten der Anstellung im MVZ.

  • „Umwandlung" einer Einzelpraxis in eine MVZ-GmbH, wenn der zugelassene Arzt zu Gunsten der Anstellung in seinem MVZ verzichtet.

Die Gesellschafterrechte der angestellten Ärzte-Gesellschafter müssen jeweils so eingeschränkt werden, dass die Voraussetzungen einer abhängigen Beschäftigung für ihr Arbeitsverhältnis mit der MVZ-Gesellschaft vorliegen.

Da bislang nur der Terminbericht des BSG vorliegt, müssen für eine genauere Analyse noch die Entscheidungsgründe abgewartet werden.