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Kein genereller Ausschluss von Vertragsärzten und MVZ vom Kurzarbeitergeld

Weisung der Bundesagentur

Mit interner Weisung vom 15. April 2020 hat die Bundesagentur für Arbeit angeordnet, dass für Vertragsärzte (bzw. MVZ) wegen der Ausgleichszahlungen nach § 87a Abs. 3b SGB V „kein Raum für die Zahlung von Kurzarbeitergeld bestehe“. Begründet wird dies dadurch, dass ein „Anspruch“ auf Ausgleichszahlungen ggü. der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) bestehe, so dass der Arbeitsausfall ähnlich einer Betriebsausfallversicherung ausgeglichen werde.

In Bezug auf die in § 87a Abs. 3b S. 3 SGB V ausdrücklich geregelte Minderung der Ausgleichszahlungen wegen „finanzieller Hilfen aufgrund anderer Anspruchsgrundlagen“ führt die Bundesagentur aus, dass diese Regelung sich „nicht auf Leistungen nach dem SGB III, sondern lediglich auf andere Ausgleichsmöglichkeiten eines Honorarausfalles“ beziehe.

Tatsächliche Rechtslage

Unzutreffend ist bereits, dass nach § 87a Abs. 3b Satz 1 SGB V (generell) ein „Anspruch“ gegen die KV auf Ausgleichszahlungen bestehe. Die (für den extrabudgetären Bereich geltende) Norm  spricht ausdrücklich davon, dass die KV eine befristete Ausgleichszahlung an den vertragsärztlichen Leistungserbringer leisten „kann“.

Ob dann im Not-HVM der einzelnen KVen ggf. ein Anspruch geregelt wird, ist noch offen. Einzelne Bundesländer (bspw. Sachsen) gehen so vor; allerdings muss auch noch abgewartet werden, welche Voraussetzungen die jeweilige KV an einen Anspruch knüpft. Die wenigsten KVen haben hierzu bisher Regelungen erlassen.

Unzutreffend ist aber vor allem die Aussage der Bundesagentur, dass sich die Minderung der Ausgleichszahlungen der KV nicht auf Leistungen nach dem SGB III (= Kurzarbeitergeld) beziehe: Dies ergibt sich weder aus dem Gesetz noch aus dessen Begründung. So verweist bspw. die KV Sachsen in ihrem Formular zur Antragstellung auf Ausgleichszahlung gemäß §§ 11a bis 11e des Not-HVM bzgl. der anrechenbaren Leistungen gerade auf das Kurzarbeitergeld. Auch das Formular der KV Sachsen-Anhalt verweist darauf, dass u. a. Kurzarbeitergeld eine Hilfszahlung in diesem Sinne darstellt.

Daraus ergibt sich u.E. klar, dass der Gesetzgeber die grundsätzlich parallele Inanspruchnahme von Ausgleichszahlungen nach § 87a Abs. 3b Satz 1 SGB und Kurzarbeitergeld gesehen und akzeptiert hat, dies jedoch durch eine Anrechnung des Kurzarbeitergelds auf die Ausgleichszahlungen der KV gelöst hat.

Handlungsempfehlungen

Dementsprechend kommt Kurzarbeitergeld wegen Arbeitsausfalls jedenfalls auch für Vertragsärzte bzw. MVZ grundsätzlich in Betracht.

Aus unserer Sicht muss dies jedenfalls für jeden Arbeitsausfall gelten, der nicht Tätigkeiten betrifft, die ggü. der KV abgerechnet werden – also bspw. privatärztliche Tätigkeit (so bspw. auch zutreffend die KV Bayern auf ihrer Homepage), Tätigkeit im Rahmen von Selektivverträgen und stationäre Tätigkeit im Rahmen von Kooperationsverträgen mit Krankenhäusern.

Auch für Arbeitsausfall von Tätigkeiten, die ggü. der KV abgerechnet werden, muss u. E. die Möglichkeit bestehen, Kurzarbeitergeld in Anspruch zu nehmen (wie ausgeführt aufgrund der in § 87a Abs. 3b S. 3 SGB V vorgesehenen Anrechnung).

Allerdings sind hierbei die (größtenteils noch nicht bekannten) Voraussetzungen der KVen für die Ausgleichszahlungen zu beachten. So setzt bspw. die KV Sachsen voraus, dass Vertragsärzte/MVZ vollumfänglich im Rahmen ihres Versorgungsauftrages und mindestens im bisherigen zeitlichen Umfang für die Versorgung der Patienten zur Verfügung stehen; d. h. der Honorarrückgang darf nicht auf einer Verkürzung der Sprechstundenzeiten der Praxis beruhen, es sei denn, die Verkürzung der Sprechstundenzeiten ist pandemiebedingt unabwendbar (Einsatz in Corona-Test- und/oder Behandlungszentren, Corona bedingte Quarantäne, behördliche Auflagen). Sollte das von der jeweiligen KV so oder so ähnlich geregelt sein/werden, ist fraglich, ob im Fall von Kurzarbeit noch ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen der KV bestehen kann, wenn damit einhergeht, dass Sprechstunden reduziert werden.

Zu bedenken ist außerdem, dass die Sprechstundeverpflichtung (25 h bei vollem Versorgungsauftrag) einzuhalten ist. Notfalls ist zu überlegen, ob man nicht den Versorgungsauftrag/die Anstellungsgenehmigung vorübergehend zum Ruhen bringt, um keine Restriktionen der KV zu riskieren.

Für Praxen/MVZ, die generell nur wenig Umsatz mit reiner KV-Tätigkeit generieren, ist zu überlegen, ob wegen der deshalb wahrscheinlich nur in geringem Umfang zu erwartenden Ausgleichszahlungen Kurzarbeitergeld beantragt wird.

Fazit

Kurzarbeitergeld für Vertragsärzte und MVZ ist keinesfalls generell ausgeschlossen.

Aufgrund der größtenteils unbekannten Umsetzung der Regelung in § 87a Abs. 3b SGB V und der noch unbekannten Handhabung von Anträgen durch die KVen sowie der für eine Entscheidung absolut maßgeblichen Umsatzstruktur des Vertragsarztes bzw. des MVZ muss eine Entscheidung über die Beantragung von Kurzarbeitergeld und über die Einlegung eines Widerspruchs gegen einen ablehnenden Bescheid der Agentur für Arbeit aufgrund des behaupteten generellen Ausschlusses von Vertragsärzten bzw. MVZ im Einzelfall getroffen werden.