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Müssen Krankenhäuser Zahlungen für Umsatzsteuer auf Arzneimittelzubereitungen an Krankenkassen erstatten?

BSG, Urt. v. 9. April 2019 - B 1 KR 5/19 R

Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) am 20. Februar 2019 erstmals über mögliche Rückforderungsansprüche von privaten Krankenversicherungen gegenüber Krankenhausträgern verhandelte, hat sich nunmehr auch der 1. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) zu dieser Fragestellung positioniert.

Der am 10. April 2019 veröffentlichten Pressemitteilung des BSG ist zu entnehmen, dass Rückforderungsansprüche von gesetzlichen Krankenversicherungen bestehen sollen.

Haben Krankenhäuser und Krankenkassen vereinbart, in Krankenhausapotheken an Versicherte abgegebene Arzneimittelzubereitungen mit Nettopreisen zuzüglich der jeweils geltenden Umsatzsteuer zu vergüten, und zahlen die Krankenkassen Umsatzsteuer, deren Anmeldung die Krankenhäuser später ohne Prozessrisiko korrigieren können, soweit sich diese nach Rechtsprechung und Steuererlassen als unzutreffend erweist, haben die Krankenkassen nach ergänzender Vertragsauslegung Anspruch auf Rückzahlung der zu Unrecht gezahlten Umsatzsteuer, so das BSG. Sind hingegen die maßgeblichen Steueranmeldungen nicht mehr abänderbar, beruhe der Anspruch auf einem vertraglichen Schadensersatzanspruch.

Hintergrund

Gesetzliche Krankenversicherungen haben an den jeweiligen Krankenhausträger Umsatzsteuer für die durch die hauseigenen Apotheken patientenindividuell erfolgte Herstellung von Zytostatika (Krebsmedikamente zur Anwendung in der Chemotherapie), die im Rahmen ambulanter Krankenhausbehandlungen verabreicht wurden, gezahlt. Für die Abgabe solcher Medikamente an in den Krankenhäusern behandelte Patienten stellten die beklagten Krankenhausträger jeweils regelmäßig Rechnungen aus, die eine Umsatzsteuer in Höhe von 19 % auf den Abgabepreis entweder gesondert auswiesen oder miteinschlossen. Die Finanzbehörden und die maßgeblichen Verkehrskreise gingen zum damaligen Zeitpunkt von einer entsprechenden Umsatzsteuerpflicht aus. Den in den Rechnungsbeträgen enthaltenen Umsatzsteueranteil führten die beklagten Krankenhausträger an die zuständigen Finanzämter ab.

Im Jahr 2014 entschied der Bundesfinanzhof (BFH), dass patientenindividuelle Zubereitungen wie Zytostatika, die von Krankenhausapotheken im Rahmen einer ambulanten Behandlung abgegeben werden, umsatzsteuerfrei sind.

Diese Entscheidung nahmen Kostenträger zum Anlass, bei zahlreichen Leistungserbringern Rückzahlungen von angeblich zu viel bezahlter Umsatzsteuer zu fordern oder gar einzuklagen. In diesem Zusammenhang hattet das Bundesministerium der Finanzen (BMF) am 28. September 2016 ein entsprechendes Mitteilungsschreiben an die obersten Finanzbehörden herausgegeben (GZ III C 3 – S 7170/11/10004), wonach betroffene Krankenhäuser ein Wahlrecht haben. Die vor dem 1. April 2017 erbrachten Leistungen von Zytostatika konnten als umsatzsteuerpflichtig behandelt werden mit der Folge, dass sie insoweit auch den Vorsteuerabzug beanspruchen können.

Entscheidung des BSG

Das BSG hat die beklagte Krankenhausträgerin verurteilt, der klagenden Krankenkasse Umsatzsteuer zurückzuzahlen. Der Klägerin stehe der Rückzahlungsanspruch aus ergänzender Auslegung des Vertrags zu, soweit die Steueranmeldungen der Beklagten noch nicht formell bestandskräftig oder jedenfalls noch abänderbar waren. Hätten die Vertragsparteien bedacht, so das BSG, dass die Steuerverwaltung auch mit Rückwirkung die Umsatzsteuerpflicht in der vorliegenden Fallgestaltung verneint, hätten sie vereinbart, dass den vertragschließenden Krankenkassen ein Anspruch auf Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Umsatzsteuer zustehe, wenn die Beklagte ihren Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt ohne Prozessrisiko durchsetzen kann.

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, auf welche Preisregelung im Sinne des § 129 a SGB V Bezug genommen wird. In der vorliegenden Fallkonstellation enthielt die maßgebliche Arzneimittelpreisvereinbarung folgende Regelung: „Ist die Abgabe durch die Krankenhausapotheke nicht umsatzsteuerpflichtig, so ist wegen der fehlenden Möglichkeit des Vorsteuerabzuges die Umsatzsteuer fiktiv aufzuschlagen. Dies gilt nicht hinsichtlich der Herstellungspauschale."

Diese Sonderkonstellation führte letztendlich dazu, dass in dem vor dem BSG zu verhandelnden Verfahren lediglich der Umsatzsteueranteil streitig gestellt wurde, welcher auf die Herstellungspauschale entfallen ist. Damit wird die Dienstleistung der Apotheker vergütet. Weitere diesbezügliche Einzelheiten sind der Pressemitteilung des BSG vorerst nicht zu entnehmen.

Fazit

Die erste Entscheidung des BSG zur Frage, ob Umsatzsteueranteile auf Zytostatika zurückgefordert werden können, zeigt, dass diese Frage nicht pauschal beantwortet werden kann und es auf die konkrete Sachverhaltskonstellation ankommt. Einzelheiten können erst nach Vorliegen der Entscheidungsgründe beurteilt werden.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass ein weiteres Verfahren zu dieser Thematik, welches ebenfalls beim BSG anhängig war und die Vorsteuer und deren Berücksichtigung zum Gegenstand hatte (B 1 KR 5/18 R), durch einen Vergleich beendet und nicht streitig entschieden wurde.