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BSG entscheidet zur materiellen Präklusion nach § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 bzw. 2014

Das BSG hatte am 16. Juli 2025 in sechs Fällen darüber zu entscheiden, inwieweit eine nachträgliche Rechnungskorrektur entgegen dem Wortlaut von § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 bzw. 2014 möglich ist. Dazu hatte es schon in seinem Urteil vom 18. Mai 2021 (Az. B 1 KR 37/20 R) umfangreich ausgeführt, aber ausdrücklich offengelassen, ob für die Korrektur der Hauptdiagnose andere Maßstäbe gelten.

In den am 16. Juli 2025 entschiedenen Verfahren führt das Gericht seine Rechtsprechung unter Rückgriff auf den Begriff des „Datensatzes" im Zusammenhang mit der Prüfanzeige des MDK fort und entschied erstmals zur Änderung der Hauptdiagnose.

Das Verfahren zur Änderung der Hauptdiagnose zu dem Az. B 1 KR 18/24 R wurde von unserer Kanzlei geführt. Die übrigen fünf Verfahren betrafen die Nachkodierung von Zusatzentgelten und Nebendiagnosen.

Maßgebliche Grundsätze:

Die für Änderungen des Datensatzes abseits der Hauptdiagnose maßgeblichen Grundsätze fasste das BSG in seinem Urteil zu dem Az. B 1 KR 30/24 R zusammen und nahm in den anderen Entscheidungen darauf Bezug:

Eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nach Ablauf der in § 7 Abs. 5 S. 2 PrüfvV niedergelegten Frist scheide regelhaft aus, auch wenn nur einzelne Daten des betroffenen Datensatzes Gegenstand der Prüfung waren. Was Inhalt eines Datensatzes im Sinne der PrüfvV ist, sei durch die PrüfvV selbst zu bestimmen. In § 4 S. 2 PrüfvV 2016 werden beispielhaft Prüfgegenstände genannt, weitere – wie die Überprüfung von Zusatzentgelten – seien aber denkbar.

Maßgeblich für die Auslegung des Prüfgegenstandes sei die Prüfanzeige des MDK. Für die Konkretisierung des Prüfgegenstandes sei es erforderlich, aber ausreichend, wenn dieser hinreichend klar umrissen sei. Eine Begrenzung des Prüfgegenstandes auf einzelne Leistungen (z.B. Zusatzentgelte) und/oder Daten (insb. Diagnosen oder Prozeduren) sei möglich, aber nicht erforderlich. Eine Konkretisierung stelle es auch dar, wenn sämtliche Zusatzentgelte oder alle erlösrelevanten Nebendiagnosen Prüfgegenstand sein sollen.

B 1 KR 18/24 R: § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 steht der Änderung einer streitig gebliebenen Hauptdiagnose nicht entgegen

Sachverhalt

Das Krankenhaus verschlüsselte für einen Aufenthalt im Jahr 2018 als Hauptdiagnose I35.0. Nachfolgend prüfte der MDK diese und nahm an, korrekte Hauptdiagnose sei die bislang als Nebendiagnose verschlüsselte I50.01.

Das Krankenhaus schloss sich im gerichtlichen Verfahren dem vom Sozialgericht eingeholten Sachverständigengutachten an, wonach die bislang als Nebendiagnose verschlüsselte I21.4 korrekte Hauptdiagnose sei. Es nahm die Klage zurück, soweit die geltend gemachten Behandlungskosten die nunmehr angesteuerte DRG überstiegen.

Das Sozialgericht gab der Klage antragsgemäß statt. Eine teleologische Reduktion von § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 sei notwendig. Weil I21.4 bereits im ursprünglichen Datensatz enthalten war, hätte der Sachverständige nur wie zuvor der MDK prüfen müssen, welche der kodierten Diagnosen den höchsten Ressourcenverbrauch beanspruchte. Die von der Krankenkasse dagegen erhobene Berufung blieb erfolglos.

Entscheidung des BSG

Das BSG folgte den Vorentscheidungen und wies die Revision der Krankenkasse zurück. Es hob hervor, dass § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 zwar einschlägig, aber teleologisch zu reduzieren sei, wenn die ursprünglich kodierte Hauptdiagnose streitig bleibt. Gerichtlich wäre dann nicht nur die ursprünglich kodierte Hauptdiagnose zu prüfen. Beruft sich ein Krankenhaus aber auf eine andere Hauptdiagnose, sei es der Höhe nach auf die ursprüngliche Abrechnung beschränkt. Das BSG stellte heraus, dass die Korrektur der Hauptdiagnose wegen ihrer besonderen Funktion im DRG-System rechtlich anders zu beurteilen sei als die Änderung des übrigen Datensatzes. Bleibt die Hauptdiagnose nach dem Prüfverfahren streitig, darf diese nachträglich korrigiert werden.

Durch diese Auslegung werde den Zwecken einer Beschleunigung des Prüfverfahrens und einer ordnungsgemäßen Abrechnung sowie der besonderen Rolle der Hauptdiagnose im Vergütungssystem Rechnung getragen. Anderenfalls könnte ein Krankenhaus keine Hauptdiagnose kodieren und somit keine Vergütung beanspruchen. Es könne nicht gewollt sein, dass sich das Krankenhaus deshalb dem unzutreffenden Ergebnis des MDK anschließen müsse.

B 1 KR 30/24 R und B 1 KR 12/24 R: Keine Nachkodierung von Zusatzentgelten und Nebendiagnosen

Sachverhalt

In Sachen B 1 KR 30/24 R verschlüsselte das Krankenhaus nach Prüfung der Zusatzentgelte durch den MDK im Jahr 2019 bislang nicht kodierte Zusatzentgelte nach.

Nachdem der MDK die Nebendiagnosen im Behandlungsfall des Verfahrens B 1 KR 12/24 R aus dem Jahr 2018 geprüft hatte, übersandte das Krankenhaus eine geänderte Rechnung und kodierte drei bislang nicht kodierte Nebendiagnosen nach.

Entscheidung des BSG

Das BSG verneinte unter Bezugnahme auf die bereits dargestellten Grundsätze in beiden Fällen die Möglichkeit einer Rechnungskorrektur wegen § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016. Unabhängig von der konkreten Ausformulierung in der Prüfanzeige seien die nachkodierten Zusatzentgelte bzw. Nebendiagnosen Teil eines bereits geprüften Datensatzes gewesen.

B 1 KR 9/24 R: Begründung des MD-Gutachtens unerheblich für Anpassung an das Prüfergebnis

Sachverhalt

Der MDK prüfte die Nebendiagnosen eines stationären Aufenthalts im Jahr 2018 und kam zu dem Ergebnis, eine Nebendiagnose sei zu ändern und eine andere gänzlich zu streichen. Das Krankenhaus widersprach der leistungsrechtlichen Entscheidung der Krankenkasse und beanstandete, der MDK habe einen Volumenmangelschock in seinem Gutachten explizit beschrieben, aber nicht kodiert. Daraufhin korrigierte das Krankenhaus die Rechnung und verschlüsselte nachträglich die Nebendiagnose R57.1 (Hypovolämischer Schock).

Entscheidung des BSG

Das BSG bestätigte die Entscheidung des Landessozialgerichts, wonach R57.1 nicht nachkodiert werden durfte Es sei nicht das Ergebnis der MDK-Prüfung umgesetzt worden. Dafür genüge es nicht, wenn nur der Begründung des MDK-Gutachtens der die Nachkodierung ausfüllende medizinische Sachverhalt (Kreislaufschock) zu entnehmen sei.

B 1 KR 22/24 R: Kein wirksamer Verzicht auf Präklusion

Sachverhalt

Die Krankenkasse ließ einen stationären Aufenthalt im Jahr 2018 durch den MDK unter anderem hinsichtlich der Hauptdiagnose und Nebendiagnosen prüfen. Dieser nahm an, die Hauptdiagnose sei zu ändern. Das Krankenhaus korrigierte die Endabrechnung entsprechend und verschlüsselte zusätzlich fünf bisher nicht kodierte Nebendiagnosen. Die Krankenkasse beauftragte daraufhin den MDK erneut mit der Erstellung eines Gutachtens, das dieser verweigerte. Er begründete seine Entscheidung damit, dass eine nachträgliche Rechnungskorrektur nicht Bestandteil des Nachverfahrens sei.

Entscheidung des BSG

Das BSG bestätigte die zweitinstanzliche Entscheidung insoweit, als dass eine Nachkodierung nicht zulässig gewesen sei und verwies die Sache zur Prüfung der Wirksamkeit der Aufrechnung an das Landessozialgericht zurück. Die Krankenkasse habe nicht auf ihre Präklusionsrüge verzichtet, indem sie den MDK mit einer Begutachtung der nachkodierten Nebendiagnosen beauftragte.

B 1 KR 17/24 R: Nur einmalige Rechnungskorrektur

Sachverhalt

Im Auftrag der Krankenkasse prüfte der MDK eine stationäre Behandlung aus dem Jahr 2016 hinsichtlich der Nebendiagnosen und konnte für eine Nebendiagnose den Ressourcenverbrauch nicht nachvollziehen. Das Krankenhaus korrigierte daraufhin die Rechnung hinsichtlich der streitigen Nebendiagnose. Sodann widersprach es dem Gutachten des MDK mit der Begründung, die streitige Nebendiagnose sei zu Unrecht gestrichen worden. Darüber hinaus seien weitere Nebendiagnosen zu kodieren gewesen. Das Krankenhaus erstellte sodann eine weitere Rechnung und kodierte die benannten Nebendiagnosen nach.

Entscheidung des BSG

Das BSG wies die Revision zurück und bestätigte damit die Entscheidung des Landessozialgerichts. Es stellte klar, dass die für die PrüfvV 2016 aufgestellten Grundsätze auch für die hier anzuwendende PrüfvV 2014 Geltung beanspruchen. Beide Rechnungsänderungen seien zwar innerhalb der Frist des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2014 erfolgt, insgesamt aber nur einmalig möglich. Obwohl mit der ersten Rechnungsänderung nur das Ergebnis des MDK-Gutachtens umgesetzt wurde, sei keine weitere Rechnungskorrektur möglich.

Fazit und Ausblick

Den Erwägungen des BSG zur Hauptdiagnose ist vollumfänglich zuzustimmen. Nur wenn diese korrigiert werden darf, sind eine korrekte Abbildung der tatsächlich erfolgten Behandlung und eine angemessene Vergütung überhaupt möglich. Weder im Terminbericht noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung stellte das BSG auf den Umstand ab, dass die diskutierten Hauptdiagnosen bereits Teil der ursprünglichen Rechnung waren. Die Korrektur der Hauptdiagnose dürfte danach auch in anderen Fällen möglich sein. Dazu und zur Frage, inwiefern die Feststellungen des Senats auch hinsichtlich der aktuellen PrüfvV 2021 und des Rechnungskorrekturverbots nach § 17c Abs. 2a KHG Geltung beanspruchen, gilt es die vollständigen Entscheidungsgründe abzuwarten.

In den übrigen Fällen hat das BSG seine Rechtsprechung gemäß der Entscheidung vom 18. Mai 2021 fortgeführt und durch Konkretisierung des Begriffs des „Datensatzes" in der Prüfanzeige sowie in weiteren Konstellationen eingeschränkt. Im Übrigen verbleibt es bei Behandlungsfällen im Geltungsbereich der PrüfvV 2014 bzw. 2016 bei den bereits anerkannten Ausnahmen vom Rechnungskorrekturverbot.