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Aufschlagszahlungen gem. § 275c Abs. 3 SGB V

Die am 14. März 2023 von DKG und GKV-SV geschlossene Vereinbarung über die Geltendmachung des Aufschlages gemäß § 275c Abs. 3 SGB V (AUF-VB) hebt das Thema „Aufschlag“ oder vielleicht besser die „Strafzahlung“ wieder in den Vordergrund. Gemäß dieser Vereinbarung werden die Krankenkassen Aufschläge, welche bisher zurückgestellt wurden, in großem Umfang einfordern.

Nachfolgend erhalten Sie einen kurzen Überblick über die wesentlichen Fragen zum Aufschlag nach § 275c Abs. 3 SGB V:

2. Was regelt die Vereinbarung über die Geltendmachung des Aufschlages gemäß § 275c Abs. 3 SGB V?

Die Vereinbarung nimmt zunächst eine Unterscheidung zwischen Aufschlägen für sog. „Altfälle“ und „Neufälle“ vor und regelt sodann, wie diese seitens der Krankenkassen geltend gemacht werden dürfen:

  •  „Altfälle“ (§ 1 S. 3 AUF-VB) betreffen Aufschläge für Fälle, in denen vor dem 29.12.2022 eine leistungsrechtliche Entscheidung getroffen wurde. Diese Aufschläge sollen die Krankenkassen beginnend mit dem 1. Juli 2023 in vier nicht näher geregelten Stufen geltend machen dürfen.
  •  „Neufälle“ betreffen Aufschläge für Fälle, in welchen die leistungsrechtliche Entscheidung nach dem 29. Dezember 2022 getroffen wurde und welche die Krankenkassen jederzeit, also fortlaufend, geltend machen können (§ 1 S. 2 und 3 zweiter HS AUF-VB).

Die technischen Voraussetzungen zur Umsetzung der Vereinbarung werden noch gesondert in der Vereinbarung zum Datenaustausch nach § 301 Absatz 3 SGB V geregelt. Sie sollen gem. § 3 AUF-VB ab dem 1. Juli 2023 zur Verfügung stehen, sodass ab dem 1. Juli 2023 mit einer hohen Anzahl an Aufschlagsforderungen der Krankenkassen gerechnet werden muss.

2. Ist eine Aufrechnung des Aufschlages zulässig?

Die Krankenkassen dürfen Aufschläge aufrechnen. Die Aufrechnung ist auch im Rahmen von sog. Sammel-AVIS zulässig. Wie die Aufwandspauschale ist der Aufschlag kein Bestandteil der Krankenhausvergütung und somit nicht vom Aufrechnungsverbot erfasst.

3. Welche Rechtsnatur kommt dem Aufschlag zu, Verwaltungsakt?

Diese bisher strittige Frage wollte der Gesetzgeber mit dem KHPflEG klären. Aufschläge sollten nicht als Verwaltungsakt festgesetzt werden müssen (Drucksache 20/3876, S. 51). Auch die DKG und der GKV-Spitzenverband sind der Meinung, dass Aufschläge nicht (mehr) als Verwaltungsakt festzusetzen sind. In der Präambel der Vereinbarung über die Geltendmachung des Aufschlages gemäß § 275c Abs. 3 SGB V vom 14. März 2023 heißt es daher:

„Gleichzeitig wurde durch die Änderung des § 275c Absatz 5 Satz 1 SGB V die Ausgestaltung der Geltendmachung des Aufschlages als Verwaltungsakt aufgehoben.“

Dies bringt erhebliche Vorteile mit sich. Handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt, muss gegen die Festsetzung des Aufschlages nicht mehr innerhalb der sehr kurzen einmonatigen Fristen Widerspruch und sodann ggf. Klage eingereicht werden. Das Verfahren und ggf. eine Rückabwicklung eines Aufschlags wären deutlich vereinfacht.

Allerdings bestehen rechtliche Argumente, die trotz der gesetzgeberischen Intention dafürsprechen, dass es sich bei dem Aufschlag um eine hoheitliche (Sanktions-)Maßnahme handelt, welche durch Verwaltungsakt festgesetzt werden muss. Denn nur das Streichen der Regelung des § 275c Abs. 5 S. 1 SGB V („Widerspruch und Klage gegen die Geltendmachung des Aufschlags (…) haben keine aufschiebende Wirkung“) sowie die Möglichkeit zur elektronischen Geltendmachung bedeutet u. E. noch nicht mit absoluter Sicherheit, dass die Festsetzung eines Aufschlags keinen Verwaltungsakt mehr darstellt/erfordert.

Sollten z. B. Gerichte zu dieser Auffassung gelangen und die Festsetzung eines Aufschlages als Verwaltungsakt ansehen, drohen weitreichende Konsequenzen: Der festgesetzte Aufschlag wird ohne rechtzeitigen Widerspruch und ggf. Klage (für diese sind jew. einmonatige Fristen einzuhalten) bestandskräftig und kann nicht mehr rückabgewickelt werden. Ob es zu einer solchen Entscheidung kommt oder wie wahrscheinlich eine solche Entscheidung ist, lässt sich nicht sicher beurteilen.

4. Für welche Behandlungsfälle fällt der Aufschlag an? Ab dem Jahr 2022?

Es besteht eine rege Diskussion darüber, wie die Angabe „ab dem Jahr 2022“ zeitlich zu verstehen ist. Krankenkassen fordern Aufschläge für alle geprüften Abrechnungen, bei welchen die leistungsrechtliche Entscheidung im Jahr 2022 (oder später) übermittelt wurde. Krankenhäuser stellen auf die Aufnahme im Jahr 2022 ab.

Das BMG schließt sich in einem Schreiben vom 24. November 2021 der Ansicht der Krankenkassen an, wobei der Meinung des BMG vor den Gerichten keine Verbindlichkeit zukommt.

Mit den Entscheidungen einiger Sozialgerichte bestehen jedoch gute Argumente, die Aufnahme ab dem Jahr 2022 als maßgeblichen Zeitpunkt anzusehen (vgl. SG Berlin, 25. Juli 2022, Az. S 28 KR 1213/22; SG Düsseldorf, 2. Februar 2023, Az. S 15 KR 1862/22). Letztlich muss bei dieser Frage abgewartet werden, wie das Bundessozialgericht entscheiden wird. Krankenhäuser sollten sich die Rückforderung von Aufschlägen bei Behandlungsfällen mit Aufnahme vor dem 1. Januar 2022 bis dahin offenhalten, indem ein Aufschieben der betroffenen Aufschläge vereinbart, gegen festgesetzte Aufschläge ggf. Widerspruch eingelegt bzw. Klage erhoben wird oder sonstige verjährungshemmende Maßnahmen bei bereits gezahlten oder aufgerechneten Aufschlägen ergriffen werden.

5. Handlungsempfehlungen

5.1 Vorgehen gegen einen Aufschlag

Immer dann, wenn Sie einen Aufschlag nicht akzeptieren wollen, sollten Sie diesem entgegentreten. Das technische Verfahren für ein elektronisches Bestreiten des Aufschlags im Rahmen des Datenübermittlungsverfahrens muss noch bereitgestellt werden. Es ist u. E. jedoch auch möglich, bis dahin auf anderem Wege einem Aufschlag entgegen zu treten.

Für den Fall, dass Sie einem Aufschlag entgegentreten, empfehlen wir mit der Krankenkasse zu vereinbaren, dass die Entscheidung über den Aufschlag so lange aufgeschoben wird, bis der strittige Sachverhalt – und damit die Berechtigung zur Geltendmachung eines Aufschlages – inhaltlich geklärt wurde. So kann z. B. ein kostenpflichtiges Klageverfahren den Aufschlag betreffend vermieden werden. Sollte die Krankenkasse den Aufschlag z. B. im Wege einer Aufrechnung durchgesetzt haben, behalten Sie bitte die Verjährung im Blick.

Für den Fall, dass Sie im Hinblick auf die unter Ziff. 3 dargestellte nicht gänzlich geklärte Rechtsnatur des Aufschlages sicher gehen wollen, raten wir Ihnen immer dann, wenn Sie einen Aufschlag nicht akzeptieren wollen, gegen diesen formal Widerspruch zu erheben (zur Widerspruchsfrist siehe unten 5.3). Auch hier sollte ein Aufschub der Entscheidung über den Widerspruch mit der Krankenkasse vereinbart werden, da sich an eine Widerspruchsentscheidung der Krankenkasse ansonsten ein kostenpflichtiges Klageverfahren anschließen würde.

Sollte die Krankenkasse dem Aufschub der Entscheidung nicht zustimmen, raten wir nach einer ablehnenden Widerspruchsentscheidung gegen diese zu klagen. Dies ist auch dann erforderlich, wenn die Kasse die Auffassung vertritt, es handle sich nicht um einen Verwaltungsakt.

Dieses Vorgehen bietet Ihnen die größtmögliche Sicherheit, geht aber mit einem deutlichen höheren Aufwand und Kostenrisiko (im Falle einer Klage) einher. Ihre Interessen wären aber auch dann geschützt, wenn das BSG entscheidet, dass es sich bei der Festsetzung eines Aufschlages um einen Verwaltungsakt handelt.

5.2  Vorgehen gegen einen Aufschlag bei Aufnahme vor dem Jahr 2022

Sollte der festgesetzte Aufschlag einen Behandlungsfall mit Aufnahme vor dem Jahr 2022 betreffen (Ziffer 4.), raten wir Ihnen auch dann fristgerecht Widerspruch und ggf. Klage gegen den Aufschlag einzulegen bzw. zu erheben (vgl. hierzu Ziff. 5.1), wenn Sie die leistungsrechtliche Entscheidung akzeptieren. Nur so ist sichergestellt, dass bereits festgesetzte bzw. bezahlte oder aufgerechnete Aufschläge für den Fall zurückgefordert werden können, dass das BSG die Erhebung von Aufschlägen für Behandlungsfälle vor dem Jahr 2022 für unzulässig erklärt.

5.3  Allgemeines

Wir weisen darauf hin, dass der Widerspruch innerhalb eines Monats nach dem Zugang der Festsetzung des Aufschlags bei der Krankenkasse einzulegen ist, welche den Aufschlag für sich einfordert.

Sollte die Krankenkasse Ihren Widerspruch ablehnen, muss innerhalb eines Monats nach Zugang der Widerspruchsentscheidung gegen die Krankenkasse bei dem zuständigen Sozialgericht Klage erhoben werden.

Stellen Sie bei der Berechnung der Frist im Zweifel auf das Datum des Schreibens oder der Mitteilung der Krankenkasse ab, um die die Frist nicht zu überschreiten.

Uns ist bewusst, dass diese Thematik zu erheblichen finanziellen Unsicherheiten und Beeinträchtigungen führen kann. Wir helfen Ihnen gerne weiter und stehen für Fragen jederzeit gern zur Verfügung.