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GKV-VSG: Neue Regelungen für die NUB

In Kürze tritt nach Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt das am 11. Juni 2015 verabschiedete GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) in Kraft (BR-Drs. 283/15). Zwar steht hierbei das Vertragsarztrecht im Vordergrund (dazu Orlowski, MedR 2015, S. 147 ff.); aber auch für den stationären Sektor wird es zu Gesetzesänderungen kommen. Dies gilt insbesondere für die Neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB).

Insoweit war bis zuletzt streitig, welche Anforderungen für die Vereinbarung bzw. Festsetzung von Entgelten nach § 6 II KHEntgG gelten. Während beispielsweise die Schiedsstelle Hamburg überhaupt keinen Evidenznachweis fordert, verlangen andere Schiedsstellen zumindest eine plausible Darstellung des Zusatznutzens gegenüber etablierten Verfahren. Die Krankenkassen gehen aufgrund der jüngeren BSG-Rechtsprechung (siehe etwa BSG, Urt. v. 21.03.2013 – B 3 KR 2/12 R) sogar davon aus, dass ein umfassender Qualitätsnachweis durch das Krankenhaus zu erfolgen habe (vgl. zum Ganzen auch Vollmöller, NZS 2012, S. 921 ff.).

Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt, § 137 III SGB V

Mit dem GKV-VSG wird das schon bislang geltende Prinzip der Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt nunmehr in § 137 III 1 SGB V näher konkretisiert. NUB, über die der G-BA bisher noch nicht entschieden hat, dürfen danach im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden,

„wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist".

Damit wird klargestellt, dass NUB auch dann vereinbart und angewendet werden können, wenn sie außerhalb von Studien angewandt werden und ihr Nutzen noch nicht auf hohem Evidenzlevel belegt ist (siehe BT-Drs. 18/5123, S. 135).

Das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative kann sich nach der Gesetzesbegründung daraus ergeben, dass „die Methode aufgrund ihres Wirkprinzips und der bisher vorliegenden Erkenntnisse mit der Erwartung verbunden ist, dass andere aufwändigere, für die Patientinnen und Patienten invasivere oder bei bestimmten Patientinnen und Patienten nicht erfolgreiche Methoden ersetzt werden können oder die Methode in sonstiger Weise eine effektivere Behandlung ermöglichen kann" (BT-Drs. 641/14, S. 148).

Dies gilt nach § 137c III 2 SGB V sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag gestellt wurde, als auch für Methoden deren Bewertung noch nicht abgeschlossen ist. Die Krankenkassen können die Vereinbarung eines NUB-Entgelts also nicht mit der Begründung eines laufenden G-BA-Verfahrens ablehnen.

Medizinprodukte mit hoher Risikoklasse, § 137h SGB V

Für NUB, deren technische Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinprodukts mit hoher Risikoklasse beruht, schafft der Gesetzgeber mit § 137h SGB V eine äußerst komplexe Neuregelung:

Medizinprodukte mit hoher Risikoklasse sind nach § 137h II SGB V solche, die der Risikoklasse IIb oder III nach der einschlägigen EU-Richtlinie oder den aktiven implantierbaren Medizinprodukten zuzuordnen sind, und deren Anwendung einen besonders invasiven Charakter aufweist. Näheres hierzu soll das BMG bis Ende 2015 durch Rechtsverordnung regeln.

Bei erstmaliger Anfrage einer solchen Methode beim InEK muss das Krankenhaus im Benehmen mit dem Hersteller zukünftig dem G-BA zugleich Informationen über den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu dieser Methode sowie zu der Anwendung des Medizinprodukts übermitteln (§ 137h I 1 und 2 SGB V).

Weist die Methode ein neues theoretisch-wissenschaftliches Konzept auf, gibt der G-BA innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Informationen im Internet allen Krankenhäusern und den Medizinprodukteherstellern in der Regel einen Monat Gelegenheit, weitere Informationen zu übermitteln (§ 137h I 3 SGB V).

Der G-BA muss dann innerhalb von drei Monaten eine frühe Nutzenbewertung vornehmen (§ 137h Abs. I 4 SGB V). Erst 3 Monate nach Durchführung dieser Nutzenbewertung ist für den Fall, dass der G-BA den Nutzen oder zumindest das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bejaht hat, ein Schiedsstellenverfahren nach § 6 Abs. II 3 KHEntgG möglich (§ 137h III, IV SGB V). Die festgesetzte Vergütung gilt dann für alle Behandlungsfälle, die ab dem Zeitpunkt der InEK-Anfrage in das Krankenhaus aufgenommen worden sind. Auf Empfehlung des Ausschusses für Gesundheit ist für diesen Fall ein Zahlbetragsausgleich nach § 15 III KHEntgG in das Gesetz mit aufgenommen worden.

Schließlich soll der G-BA Krankenhäuser und Hersteller von Medizinprodukten im Vorfeld des Verfahrens über dessen Voraussetzungen und Anforderungen im Hinblick auf konkrete Methoden beraten (§ 137h VI SGB V). Auf die Umsetzung dieser Vorschrift in der Praxis darf man gespannt sein.

In § 137h VII SGB V wird klargestellt, dass Klagen gegen G-BA-Entscheidungen keine aufschiebende Wirkung haben. Zu Recht wird in den Gesetzesmaterialien darauf hingewiesen, dass dies schon deshalb gilt, weil es sich bei den G-BA-Entscheidungen um keine Verwaltungsakte, sondern „Maßnahmen mit Rechtsnormcharakter" handelt (BT-Drs. 641/14, S. 153).

Bewertung

Leider lassen die – hier nur in ihren Grundzügen dargestellten – Regelungen des § 137c III und § 137h SGBV zu Lasten der Krankenhäuser viel Interpretationsspielraum offen. So ist zu befürchten, dass die Krankenkassen aufgrund der Tatbestandsmerkmale „medizinisch indiziert und notwendig" in § 137 III SGB V quasi über die Hintertür doch wieder einen Evidenznachweis fordern werden.

Dem wird entgegenzuhalten sein, dass der Gesetzgeber gerade in der Auseinandersetzung mit der krankenkassenfreundlichen Rechtsprechung des BSG das Prinzip der Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt betont hat. So spricht die Gesetzesbegründung von einem Wertungswiderspruch zwischen gesetzlicher Regelung und BSG-Rechtsprechung (BT-Drs. 641/14, S. 147; vgl. zuletzt auch VG Stuttgart, Urt. v. 07.05.2015 – 4 K 5125/13, welches die Anwendbarkeit des umfassenden Qualitätsgebots im Verfahren nach § 6 II KHEntgG für den medikamentefreisetzenden bioresorbierbaren Koronarstent verneint hat). Der Gesetzgeber will durch die Gesetzesänderung mit anderen Worten wieder das Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten der NUB herausstellen. Eine Ausnahme wäre dann zu bejahen, wenn die Methode schädlich oder unwirksam ist. Hierfür tragen aber die Krankenkassen die Darlegungslast.

Bedauerlich ist auch, dass der Zahlbetragsausgleich nach § 15 III KHEntgG nur für den Spezialfall des § 137h SGB V und nicht für alle erstmals vereinbarten NUB eingeführt wurde. Es ist nicht nachvollziehbar, warum für andere NUB ein Zahlbetragsausgleich für die Zeit zwischen Antragstellung beim InEK und Vereinbarung/Festsetzung des NUB-Entgelts ausscheiden soll.